Mila Turajlić
Druga strana svega (Die andere Seite von allem), 2017
Filmscreening

Mila Turajlic
Foto: Joachim Rappaport
Mila Turajlić ist eine serbische Filmemacherin, die die Auswirkungen erforscht, die mit dem politischen und gesellschaftlichen Umbruch während und nach dem Zusammenfall des Staates Jugoslawien einhergehen. Dabei untersucht sie insbesondere, wie sich das Vermächtnis der gewaltsamen Periode(n) auf die Lebensrealitäten der Menschen sowie deren Identität in den Regionen, die mit dem Balkan assoziiert werden, ausgewirkt haben.
In ihrem sehr persönlichen Film Die andere Seite von allem (2017) blickt sie zurück auf die Politik und die Revolution in Serbien über den Zeitraum eines gesamten Jahrhunderts. Diese Rückschau passiert auf eine ganz besondere Art und Weise: nämlich in der Belgrader Wohnung, in der die Turajlić aufwuchs und in einem Gespräch mit ihrer Mutter, Srbijanka Turajlić, die nicht nur Professorin an der Fakultät für Elektrotechnik der Universität Belgrad, sondern auch politische Aktivistin war.
Die ehemals großzügige Wohnung befindet sich in einem Haus, das Turajlićs Urgroßvater gebaut hatte und der zugleich als Regierungsminister 1918 das Dokument unterschrieb, mit dem Jugoslawien entstand. Nach der kommunistischen Revolution in Serbien konfiszierten die Machthaber die Hälfte des Wohnraums von Turajlićs Familie, da sie es als zu groß und zu bürgerlich betrachteten – seither ist die Tür des Wohnzimmers verschlossen.
Mila Turajlić Mutter aber ist die wahre Protagonistin des Films, die zugleich eine der führenden Köpfe in der Opposition gegen das Slobodan Miloševićs Régime war und deren Name 2015 auf einer rechtstextremen Liste der „30 größten Verräter:innen“ Serbiens erschien. Seit 2014 war Miloševićs früherer Informationsminister Aleksandar Vučić Präsident Ministerpräsident und seit 2017 ist er Präsident Serbiens. Srbijanka blickt pessimistisch in die Zukunft, und ihre Warnung, vor dem Aufkommen des Nationalismus und der Politik der starken Männer wachsam zu sein, ist aktueller denn je. Insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen, in Serbien stattfindenden Proteste bietet der Film eine spannende und empathische Einsicht in die Geschichte Serbiens.
Künstler:innen
Teilnehmende Künstler:innen
Mila Turajlić
ist Filmregisseurin und international für ihre Dokumentarfilme bekannt. Sie promovierte in Filmwissenschaften an der University of Westminster und erwarb ihren Master of Science in Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen an der London School of Economics. Zuvor hatte sie einen Bachelor-Abschluss in Film- und Fernsehproduktion an der nationalen Filmschule in Belgrad gemacht und spezialisierte sich auf Dokumentarfilm an La Fémis in Paris. Seit seiner Gründung im Jahr 2005 organisiert sie das Magnificent 7 Festival of European Feature Documentary Film in Belgrad. Darüber hinaus ist sie Gründungsmitglied von DOKSerbia, dem Verband der serbischen Dokumentarfilmer:innen und war die erste Vorsitzende des Vorstands. Sie wurde unter anderem mit dem Gold Hugo des Chicago International Film Festivals (2010) sowie dem Preis für den besten Dokumentarfilm des Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Amsterdam ausgezeichnet.
Filmografie (Auswahl): Non-Aligned: Scenes from the Labudovic Reels (2022), Ciné-Guerillas: Scenes from the Ldovic Reels (2022), The Other Side of Everything (2017), Cinema Komunisto (2010).

Mila Turajlic
Foto: Joachim Rappaport