Anne-Kathrin Reulecke
Wired Subjects. Literatur im Technozän
Vortrag
In Analogie zum Begriff des „Anthropozän“, der das Zeitalter bezeichnet, in dem die Menschen das Erdsystem nachhaltig geophysisch verändert haben, findet sich in den letzten Jahren immer wieder auch der Neologismus „Technozän“. Gemeint ist eine neue Epoche, die sich dadurch auszeichnet, dass (medien-)technologische Entwicklungen, in Gestalt von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz, unsere Vorstellung vom Humanen, unsere Realitäten als Menschen nachhaltig verändern.
Auch in der Literatur ist gegenwärtig eine Konjunktur von Texten zu vermerken, die auf die rasanten Entwicklungen und die fortschreitende Verflochtenheit der Subjekte mit Medien, Geräten und Apparaturen, auf die Verschaltungen mit algorithmisch basierten Formaten und auf den zunehmenden Einsatz Künstlicher Intelligenz reagieren – und diese mit künstlerischen Mitteln in Szene setzen. Dabei werden zum einen die Überschneidungen von Menschlichem und Maschinellem in Hinblick auf ihre einschneidenden Konsequenzen für das einzelne Subjekt, aber auch für das soziale Zusammenleben und die conditio humana insgesamt, diagnostiziert, abgebildet und (mal mehr und mal weniger kritisch) reflektiert. Zum anderen werden mit den der Literatur eigenen Potentialen gegenwärtige Techno-Szenarien in Gedankenexperimenten weitergedacht und deren Folgen – häufig mithilfe des Settings einer nahen Zukunft – imaginativ antizipiert.
Im Vortrag werden zeitgenössische Romane vorgestellt, die das Verschaltet-Seins von Menschen mit technischen Geräten verhandeln und die das zunehmend realer werdende Zusammenleben von Menschen und menschenähnlichen Robotern, Humanoiden, literarisch gestalten.
Künstler:innen
Teilnehmende Künstler:innen
Univ.-Prof. Dr.phil Anne-Kathrin Reulecke
ist Universitätsprofessorin für Neuere deutsche Literatur mit Schwerpunkt Literaturtheorie und Geschichte und Theorie der literarischen Ästhetik am Institut für Germanistik der Universität Graz; davor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin und an der Technischen Universität Berlin; 2010 war sie am Max Kade Distinguished Visiting Professor, University of Virginia, USA. Seit 2023 ist sie Mitglied des DFG-Netzwerks „PRANA – Posthuman Research and Narration: Posthumanistische Forschung und Erzählen“; und seit Oktober 2024 Sprecherin des Strukturierten Doktoratsprogramms „Transformationen des Humanen“ an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät Universität Graz.
Weitere Forschungsschwerpunkte: Literatur und bildende Kunst 18. bis 21. Jahrhundert; Biotechnologie, Medizin, Medien und Intermedialität in der Gegenwartsliteratur; Theorien zu Autorschaft, Fälschung und Plagiat. Buchpublikationen, zuletzt: Walter Benjamin und Roland Barthes. Theoretische Komparatistik zwischen Kritischer Theorie und (Post-)Strukturalismus, hg. mit Anke Jaspers, Wallstein 2025; Descriptio. Potentiale literarischer Beschreibung, hg. mit Kurt Hahn, Steffen Schneider, Julia Zimmermann. Rombach 2024; Mit den Toten sprechen. Jenseitsnarrative in Literatur und Kunst der Gegenwart, hg. mit Johanna Zeisberg, Böhlau 2021; Sehstörungen. Grenzwerte des Visuellen in Künsten und Wissenschaften, hg. mit Margarete Vöhringer, Kadmos 2019.