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Marta Riniker-Radich

Untitled, 2008

Farbstift und Bleistift auf Papier
21 × 29,7cm

Courtesy Collection Fonds cantonal d’art contemporain, Genf

Im Rahmen der Ausstellung zeigt die HALLE FÜR KUNST Steiermark eine Auswahl von zehn Zeichnungen der Künstlerin Marta Riniker-Radich, die über den Verlauf von knapp zehn Jahren entstanden und verschiedene Arbeitsreihen und Themen ihrer künstlerischen Arbeit miteinander kombinieren. Hier zeigt sich auch die Gemeinsamkeit, dass für eine lange Zeit der Mensch als Figur nicht in den Zeichnungen der Künstlerin vorkam. Vielmehr sind die dargestellten Architekturen und Innenräume menschenleer, was ihnen eine merkwürdige und abgründig psychologische Tiefe gibt. Die meisten ihre Motive haben reale Vorbilder oder sind aus verschiedenen Versatzstücken zusammengesetzt, die durch die Kombination etwas Absurdes oder Gewaltvolles zum Ausdruck bringen. Das Sammeln, Besitzen, die den Dingen innewohnende Kraft und wie sich Machtstrukturen auch und vor allem von männlicher Prägung in Architekturen übertragen, könnte man als eine Art Leitmotiv der Arbeiten aus dieser Zeitperiode des künstlerischen Schaffens sehen.

So zeigt beispielsweise The Enemy Within 7 (2017) den Zylinder einer Schließanlage. Die Arbeit ist Teil einer Reihe, die sich um Sicherheit, Protektionismus und safe spaces dreht, und fokussiert eher einen privaten Bereich der Abschottung, während Riniker-Radich sich auch mit dem größeren Themenfeld industrieller Sicherheitskomplexe befasst hat. 

Glenn McCarthy Goes to Sea (2010) entstand in Zuge einer Auseinandersetzung der Künstlerin mit der Ölindustrie in Amerika. Glenn McCarthy, ein irischer Ölhändler, ließ in Houston ein verschwenderisches Hotel namens Shamrock“ bauen. Nachdem Frank Lloyd Wright an der Enthüllung teilnahm, titulierte Wright das Hotel als architektonische Geschlechtskrankheit“. Dies war von Wright als Kritik auf den ausschweifenden Stil gemünzt, den die Künstlerin in ihrer Zeichnung ebenfalls durch übertriebene Wucherungen an den Säulen des Gebäudes übertragen hat. 

Untitled (2010) basiert auf einem realen Ort, der aber eher als Projektionsfläche für die dahinterliegenden Machtstrukturen dient. Riniker-Radich übernimmt Strukturen des Powder Room in der Radio City Music Hall in New York, der einer der Ikonen des Art Deco ist. Wie in vielen anderen ihrer Arbeiten werden in menschlich erzeugte Räumen natürliche, organische Formen gesetzt, die andeuten, dass die Natur im Begriff ist diese rückzuerobern und zu übernehmen.

In The Conservative Treehouse (2018) steht eine Ikea-Kindersitzgruppe vor einer Wand mit braunen Leder-Bezügen, die an einen Country-Club, ein gehobenes Restaurant oder ähnliche private Interieurs einer gehobenen Klasse erinnern, sowie ein Kristallflasche mit einer braunen Flüssigkeit auf dem Tisch. Durch die kindliche Anmutung der Sitzgruppe wird das Setting in dem Absprachen und Entscheidungen getroffen werden, ins Lächerliche gezogen. Die Künstlerin spielt hier auf Vetternwirtschaft und Seilschaften an, die solchen Netzwerken aus einer gewissen Tradition heraus anhaften.

Auch wenn alle gezeigten Arbeiten hier mehr oder weniger für sich stehen, so kreisen sie doch um Fragen der persönlichen (Un-)Sicherheit in einem psychischen wie physischen Sinne; ihr Modus ist dabei immer das Kontrastierende oder Verschränkende, was den einzelnen Bilder etwas Abgründiges, aber auch teilweise Komisches einschreibt. 


Linke Wand (v.l.n.r.)

Glenn McCarthy Goes to Sea, 2010
Buntstift und Bleistift auf Papier
2129,7 cm
Courtesy die Künstlerin 

The Enemy Within 7, 2017
Buntstift und Bleistift auf Papier
2129,7 cm
Courtesy die Künstlerin und Galerie Francesca Pia, Zürich

Untitled, 2010
Buntstift und Bleistift auf Papier
2129,7 cm
Courtesy die Künstlerin 

A Sidekick Named Snake, 2018
Farbstift auf Papier 
2129,7 cm
Courtesy M3 collection, Genf 

Lattementa, 2008
Buntstift und Bleistift auf Papier
2129,7 cm
Courtesy die Künstlerin 


Rechte Wand (v.l.n.r.)

The Conservative Treehouse, 2018
Buntstift und Bleistift auf Papier
2129,7 cm
Courtesy die Künstlerin 

Little Shop of Horrors, 2011
Buntstift, Bleistift und Collage auf Papier
2129,7 cm
Courtesy die Künstlerin und Galerie Francesca Pia, Zürich 

Untitled, 2010
Buntstift und Bleistift auf Papier
2129,7 cm
Courtesy die Künstlerin und Galerie Francesca Pia, Zürich / Zurich

Untitled, 2008
Farbstift und Bleistift auf Papier
2129,7 cm
Courtesy Collection Fonds cantonal d’art contemporain, Genf 

An Unattainable Memory, 2019
Buntstift, Bleistift auf Papier
2129,7 cm
Courtesy die Künstlerin und Galerie
Francesca Pia, Zürich 

Marta Riniker-Radich

*1982 Bern, lebt in Frankfurt am Main und Zürich

Nachdem Marta Riniker-Radich 2008 ihr Studium an der HEAD in Genf abgeschlossen hatte, begann sie ihre Malpraxis zu entwickeln, indem sie einfachere Methoden verwendete. Dabei konzentriert sich ihre Arbeit oft auf historische Figuren und kulturelle Ereignisse und kann auch andere Medienformen wie Texte und Objekte sowie ortsspezifische Installationen umfassen. Sie hat in den letzten Jahren an vielen Künstlerresidenzen teilgenommen, darunter Studio Roma, Landis & Gyr Foundation und Fieldwork Marfa. Marta Riniker-Radich wurde 2010 mit dem Swiss Art Award und 2016 mit dem Manor Kunstpreis ausgezeichnet. Ihre Arbeiten waren u. a. im Instito Svizzero in Mailand (2021), dem Éclair in Berlin, dem Kunsthaus Glarus (beides 2018) oder dem Kunsthaus Lagenthal (2013) zu sehen. Sie wird von der Galerie Francesca Pia in Zürich vertreten.