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Storm de Hirsch

THIRD EYE BUTTERFLY, 1964

16mm-Film, digitalisiert, Farbe, Ton, 10 Min.
Filmstill

Courtesy The New American Cinema Group, Inc./The Film-Maker’s Cooperative, New York

Die Filmemacherin Storm de Hirsch gilt als eine der Schlüsselfiguren der New Yorker Avantgarde Szene der 1960er-Jahre. Wie viele experimentelle Filmemacher*innen dieser Zeit begann auch de Hirsch ihre künstlerische Laufbahn nicht als Filmemacherin, sondern als Dichterin. Am Anfang der 1960er-Jahre drehte sie ihren ersten Film und wurde bald in der New Yorker Underground-Filmbewegung aktiv, wo sie mit Filmemacher*innen wie Stan Brakhage, Jonas Mekas, Shirley Clarke und anderen zusammenarbeitete. In ihren Filmen lotete sie die Möglichkeiten des Lichts und analoger Effekte aus um kaleidoskopartige Bilder zu kreieren, die von der Ästhetik fernöstlicher Religionen und Riten inspiriert sind. Der autodidaktische Zugang der Künstlerin prägen ihre Filme, die keinerlei Regeln der klassischen Narration oder Technik folgen. Dies zeigt sich beispielsweise in der Verwendung von technischen Hilfsmitteln wie Malerei und Ätzung direkt auf dem Filmmaterial. Obwohl diese Art der Bearbeitung schon zuvor angewandt wurde galt de Hirsch’s unkonventionelle Produktion als bahnbrechend.

Die Art und Weise, wie die Effekte der Filmprojektion das Seherlebnis beeinflussen, indem sie verschiedene Wahrnehmungsebenen verwischen, ist ein wiederkehrendes Merkmal ihres Kinos. Für de Hirsch ist die Projektion sowohl physisch, wenn der Film mechanisch durch den Projektor läuft, als auch mental, wenn ein Bewusstseinszustand in einen anderen übergeht. Auch in diesem Fall ermöglicht der Film den Übergang von einem Zustand zum anderen und bestimmt die Erscheinung des Zwischenkörpers, der in dieser Periode im Werk der Filmemacherin allgegenwärtig ist. Was die Form betrifft, so ist der Film in Doppel-8-mm gedreht und verwendet ein Split-Screen-Format, das durch die Unterteilung der Leinwand in acht gleich große Teile komplexer wird. Der amerikanische Dichter und Filmkritiker Parker Tyler erklärt, dass diese Art des Filmemachens direkt mit dem abstrakten Stil der piktografischen Malerei korrespondiert, d. h. mit einer Reihe von Feldern, die jeweils ein anderes, wenn auch vielleicht verwandtes Muster enthalten“. Diese erweiterte Komposition unterbricht jeden Versuch, Größenverhältnisse von abstrakten Mustern zu unterscheiden. Das unendlich Große trifft auf das unendlich Kleine, und Formen verschmelzen mit Farben. 

Storm de Hirsch unternahm mehrere visuelle Experimente, die von der Vielfalt der bunten und abstrakten Schmetterlingsflügelmuster inspiriert sind. Kaleidoskopische Aufnahmen und Überlagerungen kommen und gehen im Bild, im Einklang mit den sich wiederholenden Klängen des Soundtracks, als ob dies ein Versuch wäre, die vielfarbige Wirkung von Schmetterlingsflügeln in eine erweiterte Filmerfahrung zu übersetzen. Der Film läuft als Projektion auf zwei Leinwänden über synchronisierte Projektoren und erzeugt die Illusion, zwei Schmetterlingsflügel zu sehen, die durch das Flimmern der projizierten Bilder animiert werden. Ein Auge, das große Auge“, erscheint mehrmals in der Mitte einer endlosen Spirale, die von den Worten Third Eye Butterfly eingerahmt wird. Dieses dritte Auge, ein metaphorischer Auswuchs des anatomischen Auges, untermauert de Hirschs Lieblingsidee, dass die Erfahrung der Filmprojektion und die Reversibilität des Filmgeräts wesentliche Aspekte des poetischen Ausdrucks sind. Dazu erklärt die amerikanische Theoretikerin Casey Chanress, dass der 70-mm-Effekt von Third Eye Butterfly den Verstand dazu anregt, wie ein drittes Auge zu arbeiten, indem er die beiden nebeneinander liegenden Bildschirme zu einer dritten Bedeutung verschmilzt, so wie Eisenstein die Bedeutung zweier nebeneinanderstehender Aufnahmen zu einer dritten impliziten Bedeutung werden ließ“. 

THIRD EYE BUTTERFLY, 1964
16mm-Film, digitalisiert, Farbe, Ton 
10 Min.
Courtesy The New American Cinema Group, Inc. / The Film-Maker’s Cooperative, New York
 

Storm de Hirsch

*1912 Malkin, New Jersey, †2000 New York

war eine amerikanische Dichterin und Filmemacherin. Sie galt als Schlüsselfigur der New Yorker Avantgarde-Filmszene der 1960er-Jahre und war Gründungsmitglied der Filmmakers‘ Cooperative, die 1961 in New York gegründet wurde. Von Historikern oft übersehen, wurde sie in den letzten Jahren als Pionierin des Underground-Kinos anerkannt. Ein Großteil von de Hirschs Arbeiten ist abstrakt und verwendet eine Vielzahl experimenteller Techniken, wie die Radierung von Bild zu Bild auf undurchsichtigem schwarzem Filmmaterial und die Handmalerei auf dem Filmstreifen selbst. Ihre Filme wurden unter anderem im Museum of Modern Art; im Whitney Museum of American Art (beide in New York); bei den Filmfestspielen von Cannes; und beim Ann Arbor Film Festival gezeigt.