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Carolyn Lazard

Carolyn Lazard arbeitet vor allem in den Medien der Skulptur, des Films und in verschiedenen Kontexten. Darin setzt sich die Künstler*in mit dem Thema der Zugänglichkeit von Kunst und Institution auseinander. Durch eigene Erfahrungen geprägt beschäftigen sie sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen normierten Formen einer Institution, wie beispielsweise der damit verbundenen Sprache oder physischen Barrieren und den Körper, der in diesen Normen keine Berücksichtigung findet. In die Überlegung zu ihre*r eigenen künstlerischen Praxis ziehen stets diese entscheidenden Parameter mit ein, sie versuchen Kunst dabei so zugänglich wie möglich zu denken und konzipieren. Dies kann zum Beispiel auch dazu führen, dass Kunstwerke entstehen, die entweder die Leitsysteme von Institutionen verbessern oder dafür genutzt werden, um Umbauten am Ausstellungsraum zu ermöglichen, die ansonsten aus Denkmalschutz oder rechtlichen Gründen eigentlich nicht möglich wären. Insofern können Lazards Arbeiten als Infrastrukturen“ zur Öffnung von Institutionen, Architekturen oder aber auch bestimmter Genres verstanden werden. 

Die Videoarbeit Red (2021) verbindet Fragen von Zugänglichkeit mit der Tradition von Flicker-Filmen. Ein bekannter historischer Vorläufer ist der Film The Flicker (1965) von Tony Conrad, der im Kontext des strukturellen Films zu sehen ist und oft im erweiterten Kontext der Minimal Art verortet wird. Der Film ist überwiegend durch die schwarzen Frames gekennzeichnet, die in unterschiedlich langen Intervallen, in einer Frequenz von 4 bis 24 Lichtblitzen pro Sekunde, durch weiße Bilder unterbrochen werden. Dadurch entstehen stroboskopartigen Lichteffekte. Diese schnelle Abfolge sorgt bei den Betrachter*innen für individuelle Effekte, die zu unterschiedlichen Mustern oder sogar Farbwahrnehmungen führen.Für gewöhnlich folgen in diesem Genre einzelne Filmbilder in schneller Abfolge aufeinander und erzeugen dabei einen stroboskopischen Effekt. Conrad wie auch Lazard reduzieren hier den Film auf seine wesentlichen Komponenten, auf Licht und Zeit, als die beiden maßgeblichen Faktoren zur Erzeugung von Bildern in Zusammenspiel mit den Betrachter*innen. Denn welche Formen sich ergeben liegt hier auch daran, wer den Film sieht und wie er wahrgenommen werden kann. In gewissem Sinne lässt die betrachtende Person erst die Arbeit entstehen und die Rezeption ist gleichsam der letzte Schritt der Produktion.

Was Red (2021) anders macht als andere Filme dieses Flicker-Genres“ ist die Empathie gegenüber den Betrachtenden. In vielen Fällen können nicht nur halluzinatorische Bilder in den Köpfen, sondern auch epileptische Anfälle getriggert werden, wenn eine Person für diese disponiert ist. In der vor Ort räumlich vorgeschalteten Bildebene wird auf einem Monitor über die verschiedenen Phasen und Intensitäten der nachfolgenden Projektion informiert, bevor der Raum mit dieser zweiten Ebene, dem Video, überhaupt betreten wird. Die Besucher*innen können also individuell entscheiden, ob und zu welchem Zeitpunkt sie diesen Raum betreten und sich dem Film aussetzen. Außerdem sind die Effekte in Farbe, im Gegensatz zum Schwarz-Weiß der historischen Vorläufer, für den menschlichen Wahrnehmungsapparat leichter zu verarbeiten. Diese sind durch die Bewegung von Lazards Hand vor der (Handy-)Kamera entstanden. Somit lässt sich die Arbeit auch als eine Art körperliche Begegnung aus der Distanz“ zwischen Lazard und den Besucher*innen verstehen, die mittels des Mediums Film miteinander in Kontakt treten. Diese Interpretation des Genres ist sowohl durch eine gewisse Wärme gekennzeichnet, die sich auch darin ausdrückt möglichst vielen Menschen diese Erfahrung zugänglich zu machen, entwickelt dabei aber durch die eigene Körperlichkeit keinen technoiden Minimalismus. Zugleich können wir Red (2021) als eine Verhandlung dessen verstehen, wie die einzelnen Komponenten des Mediums Film (Licht, Bewegung, Zeit) miteinander interagieren können, und was einen Film zum Film macht.


Carolyn Lazard
Red, 2021 
2‑Kanal-Videoinstallation 
10:15 Min. 
Edition von 5 + II AP
Courtesy die Künstlerin; Maxwell Graham Gallery, New York

Carolyn Lazard

*1987 Kalifornien, lebt in Philadelphia

Solo (u.a.): Walker Art Center, Minneapolis (2022), Kunstverein Braunschweig (2021), Essex Street, New York (2020), Shoot the Lobster, New York (2018); Shows (u.a.): 59. Biennale di Venezia, Venedig (2022), Museion, Bolzano (2022), Hamburger Bahnhof, Berlin (2021), MoMA PS1, Long Island, New York (2021), Museum für Moderne Kunst, Frankfurt (2021), KW Institute for Contemporary Art, Berlin (2021), Bonner Kunstverein (2021), Palais de Tokyo, Paris (2020), Galerie Thomas Schulte, Berlin (2020), Institute of Contemporary Art, Philadelphia (2019), The Whitney Museum of American Art, New York (2019), Walker Art Center, Minneapolis (2019), LUX, London (2018), Kunsthal Aarhus (2018), New Museum, New York (2017)