II
Die filmischen Szenen

Leon Höllhumer, Triggerwarnung, 2024
Video, 16:9, Farbe, Sound
2:30 Min.
Im Übergang vom Foyer in den Hauptraum befindet sich eine Videoprojektion, in der auch eine neue Figur von Höllhumer zu sehen ist. Sie trägt den Titel Triggerwarnung und hält einen Epilog. Unter einer Triggerwarnung versteht man einen Warnhinweis vor einem kulturellen Produkt, wie etwa einem Film mit jugendgefährdenden Inhalten in Form von Gewalt oder Pornografie. Ferner kann es sich auch um Content handeln, der für bestimmte Personen re-traumatisierend ist, zum Beispiel die Nacherzählung von Verbrechen in Podcasts oder Schimpfwörter in Musik. Jene Figur wird von Daniel Rajcsanyi gespielt und ist ein sehr verlebter Charakter. Er trägt lediglich ein Schild aus Keramik, welches eine durchgestrichene „18“ zeigt.
Die Triggerwarnung ist dreckig, bärtig, traumatisiert, sie trinkt und raucht ununterbrochen. Am Ende verkörpert sie alles, wovor sie warnen sollte und ist kein gutes Beispiel dafür, sondern eher ein Warnhinweis einer reglementierenden Kultur entstammend. Genauer gesagt ist sie die fleischgewordene Versuchung in Form des Reizes des Verbotenen. Gerade mit Warnhinweisen deklarierte Produkte verfügen aber über eine Anziehungskraft, mit der Höllhumer immer wieder spielt und so auch einleitend die Andeutung aufbaut, dass die weiteren Szenen des Films eben dieser Ankündigung folgen.
In der ersten der beiden Doppelprojektion Madonna (2024) treffen zwei Figuren aufeinander. Die sogenannte Dornen-Madonna – eine klar weiblich gelesene Person mit metallenem Stachelkostüm als Torso mit Brüsten, mit einem Helm mit Maske sowie Armen und Händen hat einen Jüngling auf dem Schoss. Sie kümmert sich um ihn, wobei nicht ganz klar ist, ob es sich bei der Zuwendung auch um etwas Amouröses handelt, oder sie ausschließlich die Wunden des Jünglings versorgt und unter körperlichen Gebrechen leidet. Was jedoch im Gegensatz zu der Art des Verhältnisses offensichtlich wird, ist dass die Madonna in der Szenerie einen dominanten, um nicht zu sagen gouvernantenhaften Part gegenüber dem Jüngling einnimmt. In der tänzerischen Szene entspinnt sich ein mehrdeutiges Verhältnis zwischen den beiden.
Neben der religiösen Komponente der Madonnen-Figur sind die Stacheln eine Anlehnung an den Horror-Klassiker Hellraiser – Das Tor zur Hölle (1987). Der untote Frank zieht Julia in seinen Bann. Sein Körper besteht anfangs nur aus Knochen und den wichtigsten Organen. Um sich wieder vollständig zu materialisieren braucht er Blut. Indem sie unterwegs fremde Herren betört und diese mit nach Hause nimmt, lockt die manipulierte Julia immer mehr männliche Gäste, die auf ein amouröses Abenteuer hoffen, auf den Dachboden. Hier erschlägt Julia die ahnungslosen Besucher hinterrücks mit einem Hammer und lässt sie anschließend von Frank aussaugen. Durch die blutigen Opfer materialisiert sich Frank zunehmend zu einem vollständigen Menschen. Dabei verkörpert Julia einerseits die entfesselte Lust einer emanzipierten Frau, während sie auf der anderen Seite unter der Kontrolle von Frank steht. Die Figur des Pinhead ziert das inzwischen ikonische Cover des 1980er-Jahre Kult-Horrors und dient als Symbolbild der Madonnenfigur.
In der zweiten Doppelprojektion mit dem Titel Tausendmal berührt – Sensual Teatime with Babsi and Regina (2024) sind zwei ältere Frauen zu sehen, die von einer weiteren Figur beobachtet werden. Die beiden Damen trinken gemeinsam Kaffee und tauschen unschuldige Berührungen aus, die darauf deuten, dass zwischen ihnen möglicherweise eine zarte Liebe entsteht. Das Kaffeekränzchen, welches von einem Voyeur bis zur Erregung beobachtet wird, nimmt nicht nur gleichgeschlechtliche Liebe, sondern auch das immer noch andauernde gesellschaftliche Tabu der Sexualität im Alter über einen spielerischen Blick wahr und zeigt mehrere Charaktere, die jeweils mit der Lust und äußeren Zwängen, denen sie ausgesetzt sind, zu kämpfen haben. Der Titel ist angelehnt an den Neue Deutsche Welle Hit 1000 und 1 Nacht (Zoom!) von Klaus Lage, in dem es ebenfalls um eine vertraute Beziehung zwischen zwei Personen geht, die sich nach langer Zeit und sehr plötzlich zu einer Romanze entwickelt und sich dadurch völlig verändert.
Triggerwarnung, 2024
Video, 16:9, Farbe, Sound
2:30 Min.
mit Philipp Pess als Triggerwarnung und Daniel Rajcsanyi als Minderjähriger; Kamera: Leon Höllhumer, Julius Hadertauer und Philipp Pess; Make up: Büsra Arli
Madonna, 2024
Zweikanal-Videoinstallation, 16:9, Farbe, Sound
4 Min.
mit Aurelia van Kempen als Madonna, Theo Krausz als Jüngling und Vincent Pongracz an der Klarinette; Kamera: Leon Höllhumer und Philipp Pess
Tausendmal berührt – Sensual Teatime with Babsi and Regina, 2024
Zweikanal-Videoinstallation, 16:9, Farbe, Sound
8 Min.
mit Aurelia Kempen als Babsi, Julia Grillmayr als Stepptänzerin, Ann Muller als Regina und Mike als Beobachter; Kamera Leon Höllhumer und Philipp Pess
Besonderer Dank an:
Annemarie Arzberger, Julia Grillmayr, Madeleine Nostitz, Wiener Rotes Kreuz, Michelle Pagel, Christoph Seewald, Thomas Supper, Elisabeth Windisch