Einführung
Leon Höllhumer

Leon Höllhummer, Insalata di Sentimenti, 2024
Gemüse, Kunstblut, glasierte Keramik, Luftpumpe
Ø 30 cm
Die Praxis von Leon Höllhumer entspringt immer der Idee des Performativen: sei es eine Aktion, eine Szene oder eine bestimmte Situation, die er kreieren will, die Übergänge sind dabei fließend und nie kategorisch angelegt. Die Charaktere, die sein Werk bevölkern, gleich ob menschlich, nichtmenschlich oder übermenschlich, lassen sich zu Allerlei hinreißen. Im Zusammenspiel mit dem Titel der Ausstellung – The Feast – deutet dies schon an, dass der Künstler uns eine multi-sensorische Erfahrung präsentieren möchte, die nicht ausschließlich geschmackvoll daherkommt.
Ob das nun eine Party, eine Beerdigung oder eine gänzlich andere Situation ist, bleibt völlig offen. Diese Gleichzeitigkeit von Fest bzw. Gelage als Ausschweifung und dem Andeuten eines Todesfalls sowie zahlreichen erotischen und sexuellen Momenten, die Höllhumer im weiteren Verlauf miteinbezieht, ist nicht zufällig, sondern geplant. Schon der französische Schriftsteller Georges Bataille (1897 – 1962) beschrieb erotische Erfahrungen als ein Erlebnis, das einer Nachempfindung des Todes nahekommt. Für ihn zeigt sich in diesem Erleben einerseits ein kulturelles Tabu und andererseits dessen Überschreitung. Erst die Ausreizung des Tabus ermöglicht die Transzendierung des Ichs: Die Ekstase, das Außer-sich-Sein, das die mittelalterliche Mystik in religiöser Versenkung fand, suchen Höllhumers Figuren ihrerseits im subjektiven Tabubruch und in körperlicher Selbstentblößung.
Jene Erfahrungen sind nach Bataille in einer Vielzahl kultureller Artikulationen verankert und man könnte nicht nur in der Bildenden Kunst, sondern auch gerade in der Pop-Kultur ein wahres Reservoir an Ideen, die um den Tod und die Sexualität kreisen, entdecken. Bataille betrachtete Kunst als eine der höchsten Manifestationen der Erotik, da sie über ihre Fähigkeit zur Transgression die gesellschaftlichen Normen herausfordere und die Existenz in ihrer radikalsten Form erfahrbar mache. Kunstwerke sind für ihn Ausdruck einer tiefen, metaphysischen Sehnsucht nach dem Unendlichen und dem Verbotenen. Sie seien nicht dazu da, den Zuschauer zu beruhigen oder zu unterhalten, sondern ihn aus seiner gewohnten Realität zu reißen und in einen Zustand der Erschütterung zu versetzen. Ein zentrales Konzept bei Bataille ist das der „Vergeudung“: Ihm geht es in jener Perspektive der Erotik, wie auch der Kunst, nicht um den rationalen Nutzen oder eine funktionale Zweckmäßigkeit, sondern um das verschwenderische Ausleben von Energie und Leben. Kunst und Erotik sind demnach immer auch eine Feier des Überschusses und der Unvernunft. Durch diese radikale Praxis der Verschwendung wird sich der Mensch seiner Beschränkungen und seiner Sterblichkeit bewusst, was eine tiefere Erfahrung der Freiheit und der existenziellen Wahrheit ermögliche.
Höllhumer, der in seiner Kunst oft den menschlichen Körper als primäre Ausdrucksform in der Performance, wie im Film und auch in der skulpturalen und installativen Praxis verwendet, setzt sich intensiv mit der Frage der Körperlichkeit und deren Grenzen auseinander. In seinen Werken, die häufig den Körper als Objekt der Entgrenzung, der Sexualität und der Gewalt darstellen, erinnert seine Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz stark an Batailles Vorstellung von Körper und Sexualität als Mittel der Transgression, also der Überschreitung sozialer Normen und Vorstellungen. Höllhumer verleiht dem Körper eine transgressive Rolle, indem er ihn sowohl als Quelle der Lust als auch als Zeichen des Verfalls und der Zerstörung darstellt. Diese duale Perspektive auf den Körper steht in Verbindung mit Batailles Konzept der Erotik, das den Körper als ein Terrain der Rebellion gegen die Ordnung der Vernunft und Normen versteht.