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Study Room

Study Room (Deutsch)

Carl Pope Jr.,The Bad Air Smelled of Roses, 2004-fortlaufend

Hochdruckposter

mit Beiträgen von manuel arturo abreu, Greg de Cuir Jr., Mireille Ngosso, Carl Pope Jr., Morgan Quaintance, Danielle Brathwaite-Shirley, Paige Taul

Während der beiden Ausstellungen von Kevin Jerome Everson und Doreen Garner (3. September – 14. November 2021) wird im Untergeschoss im Zwischenbereich vor dem Ausstellungsraum ein Study Room, also Studienraum mit eigens dafür angefertigten Möbeln eingerichtet. Die Idee für dieses Format entspringt dem Wunsch einen physischen als auch diskursiven Raum zu schaffen, der beide Ausstellungen verbindet, für den Künstler_innen und Theoretiker_innen selbstständig Inhalte produzieren.

Gleichzeitig ist der Study Room ebenfalls auf der Website der HALLE FÜR KUNST Steiermark als virtueller Raum präsent, der die in Graz präsentierten Inhalte für ein globales Publikum zugänglich macht. Der Study Room kennzeichnet sich durch Beiträge mit unterschiedlichen Zeitlichkeiten. Während beispielsweise die Arbeiten von manuel arturo abreu für die ganze Ausstellungsdauer vor Ort und im virtuellen Raum zu sehen sind, gibt es andere Beiträge wie kuratierte Filmreihen oder die Präsentation von rein digitalen Arbeiten auf der Website, die punktuell und nur für kürzere Zeit abrufbar sind. Die Idee für den Study Room entwickelt sich einerseits aus dem Anliegen heraus der Fülle an Material, das im direkten Bezug zu den beiden Künstler_innen Kevin Jerome Everson und Doreen Garner steht, einen Platz zu geben. Andererseits gibt es auch Inhalte, die den lokalen Kontext in die Diskussion miteinbeziehen und sich mit den historischen Bedingungen von schwarzen Menschen in Österreich befassen. So wie etwa der Beitrag von Mireille Ngosso, Politikerin und Aktivistin, der sich mit dem Mythos auseinandersetzt, dass Österreich nichts mit Kolonialismus zu tun habe, da das Land im 19. und 20. Jahrhundert über keinerlei eigene Kolonien verfügte. Vor allem mit Ende des 19. Jahrhunderts war Österreich aber sehr wohl durch seine Kolonialgesellschaften und kolonialen Handelsbeziehungen an der Ausbeutung anderer Länder beteiligt.

Speziell solche Inhalte können ein Anstoß sein um ein Umdenken in Bezug auf den Umgang mit der eigenen Geschichte anzuregen. Gayatri Spivak, eine der wichtigsten Begründer_innen des postkolonialen Feminismus stellt in Bezug auf das Recht über andere aus einer privilegierten Position zu sprechen fest, dass dieses erst durch die Aneignung von Wissen erworben werden muss.1 Hierfür ist die kritische Reflexion der eigenen Position unter Einbezug der historischen Bedingungen notwendig. Viele globale Institutionen innerhalb und außerhalb des Feldes der Gegenwartskunst befinden sich inmitten der Erkenntnis dieses Umstandes. Der Study Room signalisiert diesen Prozess und markiert die darin angestoßenen Diskussionen als momentane Ergebnisse von eben diesem Lernprozess.

Mitwirkende

manuel arturo abreu (*1991 Santo Domingo, lebt in Portland) sind nicht-disziplinäre und nicht-binäre Künstler_innen und Poet_innen dominikanischer Abstammung. abreu trägt zwei performative Videovorträge mit dem Titel An Alternative History of Abstraction (2020) und Debajo del Agua: the wake work of Enerolisa Nuñez (2021) zum Format Study Room bei. Darüber hinaus hat abreu eigens einen neuen Text über Chief Suzanne Wenger (*1915 Graz, †2009 Oshogbo) geschrieben, eine in Graz geborene österreichisch-nigerianische Künstlerin und Priesterin der in Nigeria verbreiteten Yoruba-Religion.

Greg de Cuir Jr. (*Los Angeles, lebt in Belgrad) ist ein unabhängiger Kurator, Filmwissenschaftler, Autor und langjähriger Wegbegleiter Eversons. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Recover von Kevin Jerome Everson hält de Cuir Jr. gemeinsam mit dem Künstler einen Vortrag über drei Filme der österreichischen Filmemacher_innen und Künstler_innen Valie Export, Kurt Kren und Peter Kubelka. Ein Mitschnitt dieses Gesprächs wird als Audio-Datei auf der Website des Study Room abrufbar sein. Darüber hinaus hat de Cuir Jr. einen neuen Text mit dem Titel Arsenic and No Lace verfasst, der eine persönliche Erzählung über das erste Zusammentreffen der beiden und Überlegungen zu einem der Hauptwerke Eversons Sugarcoated Arsenic (2014) zusammenfasst.

Mireille Ngosso (*1980 Kinshasa, lebt in Wien) ist Ärztin, Politikerin und Aktivistin. Derzeit ist sie als Gemeinderätin für die Sozialdemokratische Partei Österreichs tätig. Anlässlich der beiden Ausstellungen wird Ngosso Ende September einen Vortrag über die Kolonialgeschichte Österreichs vor Ort halten. Ein Audio-Mitschnitt des Vortrags wird auf der Study Room Website abrufbar sein.

Morgan Quaintance (*1979 London, lebt in London) ist Künstler, Autor und Filmemacher. Im Rahmen des Study Rooms wird er einen seiner neuesten Filme Another Decade (2018) präsentieren, in dem Quaintance verschiedene Diskurse aus den Bereichen Kunstgeschichte, Kulturanthropologie und Gender Studies zusammenführt. Er beschäftigt sich unter anderem mit dem Thema der Diskriminierung von Minderheiten, wobei der Schwerpunkt auf vergangenen und aktuellen Äußerungen von Künstler_innen, Theoretiker_innen und anderen Kulturproduzent_innen zum Thema des Andersseins liegt.

Paige Taul (*1996 Berkeley, lebt in Chicago) ist Filmemacherin und Wissenschaftlerin. In ihrer Arbeit setzt sie sich mit Annahmen über den Ausdruck schwarzer Kultur und Vorstellungen von Zugehörigkeit auseinander und hinterfragt diese durch experimentelle Filme. Im Rahmen des Study Rooms wird Taul die Filme I am (2017), In the face of god (2018) und 10:28,30 (2019) präsentieren.

Fußnoten
  1. ^ Gayatri Spivak, The Post-Colonial Critic: Interviews, Strategies, Dialogues, New York: Routledge, 1990.