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2. Ich oder das Chaos

Franz Kapfer, Ich oder das Chaos, 2015

Lack auf Holz, Glühlampe
Maße variabel, 5002105 cm

Courtesy evn sammlung, Maria Enzersdorf

Die zweite monumentale Arbeit Ich oder das Chaos (2015) im Hauptraum der HALLE FÜR KUNST Steiermark, die namensgebend für den Untertitel der Ausstellung war, bezieht sich auf ein Zitat von Wladimir Putin von 2015 im Rahmen der ersten Ukraineoffensive. Ich oder das Chaos ist eine maßstabgetreue Nachbildung des westlichen Eingangstores des Pariser Louvre aus schwarz bemaltem Holz. Es trägt verschiedene Insignien des Herrschers Napoleon in den Ornamenten, darunter den Buchstaben N“, den Blitz, den Adler und die Bienen, die so auf den französischen Machthaber Bezug nehmen. Trotz der Inbesitznahme durch das Volk im Verlauf der französischen Revolutionen bleibt der Louvre ein Ort, der zutiefst mit den französischen Herrschern, darunter auch Napoleon, assoziiert wird. Kapfer hatte die Arbeit ursprünglich für die Kiew-Biennale 2015 angefertigt, um die hegemonialen Machtbestrebungen Russlands mit jenen von Napoleon in Beziehung zu setzen.

Der durch eine starke Glühfadenlampe rückseitig beleuchtete, nachgebildete Türbeschlag erzeugt einen Schattenwurf des gesamten Ornaments, der sich über den Raum sowie die Atlanten ausbreitet. Kapfers Spiel mit dem Schatten ist eine Strategie, eine Stimmung des Unheimlichen zu generieren. Der düstere Raum mit seinen historisierenden Artefakten mutet ein wenig wie eine groteske, überzeichnet realistische Geisterbahn an.

Im Fall des Louvre-Tors handelt es sich um eine maßstabsgetreue Nachbildung des ohnehin schon monumentalen Tors, was erneut im Kontext der Überhöhung von Macht zu verstehen ist. Hier kommen bildlich gesprochen beide Elemente der Ausstellung zusammen. Der Titel kann als Leitspruch gegenwärtiger, sich als Titanen inszenierender Autokraten gelesen werden. Kapfer analysiert politische Kultur, indem er die Beziehungen zwischen konkreten Strukturen wie Gebäuden und deren Elemente und ihre Fähigkeit zur visuellen Darstellung im Hinblick auf Themen wie Autorität und Unterdrückung in politischen Systemen untersucht. Symbole sind bei ihm immer mehrdeutig und dynamisch und können durch ihren ursprünglichen Kontext zwar für eine bestimmte Person, Gruppe oder ein Ereignis stehen, aber zugleich verfremdet und instrumentalisiert werden. Daher fokussiert sich Kapfers Praxis nicht nur auf geschichtsträchtige Objekte, sondern intendiert stets das mit diesen Machtsymbolen assoziierte Narrativ und zeigt somit die Vereinnahmung durch den mächtigen, potenziell gewalttätigen Souverän auf.


Franz Kapfer, Ich oder das Chaos, 2015
Lack auf Holz, Glühlampe
Maße variabel, 5002105 cm
Courtesy evn sammlung, Maria Enzersdorf