Zum Inhalt springen

Ouvertüre

Im Eingangsbereich der Ausstellung Fantastic Surrealists wird direkt deutlich, dass die Kunstwerke nicht vor weißen Wänden und größtmöglicher Neutralität präsentiert werden, sondern die Gestaltung durch kräftige Farbe und Einbauten durchaus vordergründig ist. Neben dem Zyklus Zauberflöte (19701974) von Wolfgang Hutter ist im ersten vorderen Raum noch das filmische Dokument Die Wiener Schule phantastischer Realisten (1967) zu sehen, in dem dieHauptvertreter des Phantastischen Realismus (Helmut Leherb, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter, Anton Lehmden, Ernst Fuchs und Arik Brauer) auch als Personen zu Wort kommen und nicht nur mittels ihrer Werke. Der Film stellt alle Maler anhand einiger Arbeiten vor und grenzt sie voneinander ab. Er versucht dabei mit seinen Möglichkeiten das Spiel der Phantasten mitzuspielen und ist mitunter in diesen Versuchen sehr kurzweilig und humorvoll.

Als erste Arbeit in der Ausstellung liegen auf einer großen Tischvitrine acht Blätter aus dem Zyklus Zauberflöte von Wolfgang Hutter, der zu einem der Hauptvertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus zu rechnen ist. Hutter war 1970 ursprünglich damit beauftragt worden für die Oper Graz ein Bühnenbild für Mozarts Zauberflöte zu entwerfen. In zwei Aufzügen und insgesamt 14 Bildern erzählt die Oper eine Geschichte entlang den Grenzen von Illusion, Phantasma und Realismus, deren Protagonist*innen sich auf die wechselvolle und verwirrende Suche nach der Wahrheit und ihren Begebenheiten und Hintergründen machen. Der junge Prinz Tamino wird von der Königin der Nacht ausgesandt, um Prinzessin Pamina zu retten, die vom Fürsten Sarastro entführt wurde. Dabei wird ihm der Vogelfänger Papageno zur Seite gestellt. Gut und Böse kommen durcheinander, bislang verlässlich erscheinende Gefüge und Zusammenhänge erscheinen in neuem Licht. Hutters Interpretation des Vorhangs und Bühnenraumes orientiert sich dabei vor allem an der Darstellung von unterschiedlichen Vegetationen und Architekturen. Da Hutters Sujets vor allem aus Landschaften bestehen, scheint der Auftrag wie geschaffen für ihn. Im ersten Versuch für die Oper Graz wurde der Entwurf 1970 nicht umgesetzt, da bereits zwei der Bühnenentwürfe das Budget in Gänze verschlungen hätten. Hutter hatte sie dann jedoch nur einige wenige Jahre in der Schublade, bis sie schlussendlich als Mappe 1974 veröffentlicht wurde.

Die Inszenierung als Bühne taucht in vielen Arbeiten der gesamten Ausstellung direkt oder indirekt wieder auf und ist daher auch in die Gestaltung der Ausstellung mit aufgenommen worden. Der gesamte Raum hat durch den roten Teppich, die verschiedenen Wandfarben und den umlaufenden Vorhang die Anmutung eines Theatersaals oder Kinos und übt so eine immersive Wirkung auf die Betrachter*innen aus. Das Spiel mit der Illusion und der Maschinerie der Imagination ist fast so alt wie Kunst selbst. Man könnte zum Beispiel den Streit zwischen Zeuxis und Parrhasius heranziehen, wie er bei Plinius beschrieben ist: Zeuxis malte im Wettstreit mit Parrhasius so naturgetreue Trauben, dass Vögel herbeiflogen, um an ihnen zu picken. Daraufhin stellte Parrhasius seinem Rivalen ein Gemälde vor, auf dem ein leinener Vorhang zu sehen war. Als Zeuxis ungeduldig bat, diesen doch endlich beiseite zu schieben, um das sich vermeintlich dahinter befindliche Bild zu betrachten, hatte Parrhasius den Sieg sicher, da er es geschafft hatte, Zeuxis zu täuschen. Der Vorhang war nämlich gemalt.“1 Das Spiel mit der Bühne, dem Wirklichen und Künstlichen, dem Realem und dem Gespielten ist spätestens seit Plinius Teil des Wesens der Kunst und findet sich in mannigfaltigen Facetten als Meta-Erzählung, ob man dafür nun Francisco de Goya oder Rene Magritte heranziehen will. Es ist zum Beispiel auch alles andere als ein Zufall, dass in David Lynchs ikonischer Serie Twin Peaks ein Raum aus roten Vorhängen existiert, in dem alles möglich zu sein scheint. Sowohl die Zeit wie auch die Handlungen in der realen Welt haben nur bedingt auf ihn Einfluss. Der Raum funktioniert nach ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten und ist damit nicht nur eine spannende Metapher für die Kraft des Kinos, sondern auch der Kunst im Allgemeinen. An genau diese Aspekte versucht die Ausstellung in ihrer Zusammenstellung wie Inszenierung anzuknüpfen und unterstreicht so die Allgemeingültigkeit der ausgestellten Kunstwerke.


1. Plinius, Naturalis Historia, Kapitel 35/ Vers 64.

Wolfgang Hutter
Der Bühnenvorhang, 1974
Das Gefängnis der Pamina, 1970
Der Papagenowald, 1970
Der Wald des Tempelbezirkes, 1974
Der Tempelbezirk, 1974
Der nächtliche Tempelbezirk, 1974
Das Rosenbett der Pamina, 1970
Der Feuerturm und der Wasserturm, 1970
Alle Arbeiten:
Aus dem Zyklus Zauberflöte
Serigrafie, 50 × 60 cm
Rahmenmaße: 60 × 67 cm
Courtesy Neue Galerie Graz am Universalmuseum Joanneum, Schenkung Sammlung Suschnigg

Die Wiener Schule phantastischer Realisten, 1967
26:42 Min.
Farbe, 16 mm, Lichtton
Idee: Willi Liwanec
Buch, Gestaltung: Karl Bednarik
Courtesy WSTLA, Filmarchiv media wien, 261