Zum Inhalt springen

Helmut Leherb

Helmut Leherb, Taubenpapst, 1970

Öl auf Leinwand
7642 cm, Rahmenmaße: 83,549,5 cm

Nachlass Leherb, Wien 

Helmut Leherb (ursprünglich Leherbauer) war in den frühen Jahren und am großen Durchbruch der Phantasten aktiv beteiligt. Er war Gründungsmitglied des Art Clubs, bei dessen Präsident Albert Paris Gütersloh er auch studierte. Leherb war neben Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden an der Ausstellung im Belvedere 1959 beteiligt, die man in der weiteren Rezeptionsgeschichte als ersten großen Durchbruch beschreiben kann. Die Ausstellung war ursprünglich nicht angetreten, um eine bestimmte malerische Richtung oder einen Ismus vorzustellen, sondern suchte zunächst die gegenständliche Tendenz innerhalb Wiens abzubilden. In den Folgejahren und bei den nächsten großen Auftritten (wie der 1965 von Wieland Schmied konzipierten Schau in Hannover) findet er schon keine Berücksichtigung mehr. Dafür lassen sich sicher mehrere Gründe benennen. Zum einen wandte sich Leherb immer stärker dem Surrealismus zu und damit auch von anderen Positionen ab, auch entwickelten sich persönliche Differenzen mit den anderen Malern schon zu Zeiten der Ausstellung im Belvedere.

Kunstkritiker Johann Muschik beschreibt diese Gemengelage in Erinnerung an einen seiner Artikel wie folgt: Der Artikel ist einer von mehreren, die ich 1959 im Rahmen einer Kampagne geschrieben habe. Mit ihr sollte eine Ausstellung der vier Maler im Belvedere, der österreichischen Nationalgalerie, vorbereitet werden. Die Ausstellung war für den Herbst des Jahres geplant und fand dann von Dezember 1959 bis Jänner 1960 statt. Sie ist, wie Leherb ein damals noch kaum bekannter Künstler, angibt, von ihm initiiert worden, wobei Hutter mitwirkte. Leherb hatte versprochen, die Ausstellung auch ins Petit Palais, Paris, zu bringen, wozu es freilich nie gekommen ist. Brauer lebte seit 1950 im Ausland und kam nur zu Besuch nach Wien. Fuchs war wegen Differenzen mit den federführenden Malern nicht eingeladen worden.“1 

Das alles andere als harmonische Bild wird dann noch davon abgerundet, dass Fuchs in seiner Galerie eine Art Gegenausstellung veranstaltete, an der Lehmden als einziger aus der Belvedere-Ausstellung auch teilnimmt. Leherb haftet seitdem auch das Image des Unruhestifters an. Als ein weiterer Beleg dafür lässt sich sicher auch der Eklat anführen, den Leherb mit seinem Konzept für den österreichischen Pavillon in Venedig auslöste. Zunächst wurde er vom Kunsthistoriker und späteren MAK-Direktor Wilhelm Mrazek und dem damaligen Landeskonservator und Sekretär des Art Clubs, Alfred Schmeller, mit der Gestaltung des österreichischen Pavillons für die 32. Venedig Biennale (1964) beauftragt. Seine Idee beinhaltete eine tiefblaue Farbgestaltung des Pavillons, in dessen Innenraum dann auf Skulpturen von Leherb Wasser hinabregen sollte, und an dessen Wänden Regenschirme, weitere Puppenfiguren und tote Tauben kleben sollten. Der sich damals neu im Amt befindende Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percevic hob die Wahl auf und lud damit den Künstler wieder aus. Den Skandal nutzte Leherb am Ende geschickt für sich selbst, wiewohl diese fragwürdige Entwicklung sicherlich auch ihre Spuren hinterließ.

Seine künstlerische Karriere verlief unterdessen unvermindert gut und er wurde so zu einer gefeierten Größe innerhalb der Wiener Kunstszene, der Leherb aber auch alsbald den Rücken kehrte, um nach Paris zu ziehen. Aus den Pariser Jahren stammt auch die Arbeit Taubenpapst (1970). Im Portrait eines wesenhaften Kopfes steht ein weiblich anmutendes Gesicht im Zentrum des Bildes, dessen Stirn hin zu den Seiten in ausgebreitete Schwingen und nach oben in einen Vogelkopf übergeht, auf dem eine wesenhaft geflochtene Thora mit einem Kreuz thront. Denn um das Kreuz ranken sich rosafarbene Fetzen mit organischer Anmutung, die zum Teil an Meeresgetier erinnert. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Darstellung um Lotte Profohs, die Partnerin des Künstlers. Die gesamte Darstellung ist reichlich bizarr und gleichermaßen elegant wie auch verstörend. Leherbs Figuren, die vornehmlich seine Familie oder den Künstler selbst als Vorbild haben, scheinen wie aus einem Abyss des etwas jüngeren Filmemachers David Cronenberg entstiegen. Passenderweise hat Leherb sich selbst (angeblich nach einem Zitat André Bretons) als Dunklen Prinzen des Surrealismus“ bezeichnet.

 

  1. Johann Muschik, Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus, Wien 1974, S.61.