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Arik Brauer

Arik Brauer, Equilibrist, 1973

Gouache auf Papier
18,714,8 cm, Rahmenmaße: 3135 cm

Courtesy Sylvia Kovacek GmbH, Wien

Arik Brauer, Die Frau als Turm, 1967

Aquarell auf Velin
14,710,5 cm, Rahmenmaße: 3733 cm

Courtesy Sylvia Kovacek GmbH, Wien

Arik Brauer gehört neben Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden zum Kern der Phantastischen Realisten und war schon davor als gegenständlicher Maler aktiv. Die frühe Nachkriegszeit, in der sich auch die Gruppe an der Akademie in Wien kennenlernte, war vor allem durch die Abstraktion geprägt. Brauer beschreibt das vorherrschende Klima zu dieser Zeit wie folgt: In den späten vierziger Jahren war verspäteter Surrealismus in Österreich noch zu modern. Es gab einige kühne Vordenker unter den Kritikern, die in uns noch die Zukunft sahen. Noch ehe wir aber aus dem Untergrund so richtig aufgestiegen waren, gerieten wir in eine neue Konfrontation, die für uns im gewissen Sinne lebenslang Untergrund bedeuten sollte. In jener Zeit hielt nämlich bereits die sogenannte abstrakte Malerei, auf dem Marshall-Plan reitend, siegreich Einzug in Wien.“1 

Vermutlich auch durch dieses kulturelle Klima bedingt, zieht es ihn wie auch seinen Freund und Kollegen Ernst Fuchs hinaus in die Welt. Er lässt sich nach Reisen quer durch Europa, Teile Afrikas und Israel für einige Jahre in Paris nieder. Mit einsetzendem Erfolg Mitte der 1960er-Jahre kehrte Brauer nach Wien zurück und nimmt ab diesem Zeitpunkt auch einige Aufträge zur Gestaltung mehrere Bühnenbilder an der Wiener Staatsoper und anderen renommierten Opernhäusern an.

Brauer suchte das Phantastische“ für seine Motive oft, aber nicht ausschließlich in der Darstellung von Natürlichem oder Graden der Verschränkung von Natur mit der Kultur. In der Ausstellung sind zwei Werke zu sehen, das Aquarell Die Frau als Turm (1967) und die Gouache Equilibrist (1973). Letzteres bezeichnet einen Gleichgewichtskünstler im Allgemeinen und einen Seiltänzer im Besonderen. Der Zirkus als Halbwelt, die darauf ausgerichtet ist, sich einer Illusion hinzugeben, diente für verschiedene malerische Strömungen des 19. und 20. Jahrhunderts als Sujet und Inspirationsquelle. Brauer setzt seine Gaukler-Figur, verschiedene Disziplinen gleichzeitig ausführend um. So balanciert sie in der einen Hand zwei Teller-ähnliche Scheiben auf Stäben, während auf Bällen stehend jeweils ein Ring um jedes seiner Beine kreist, von mehreren Äffchen beklettert wird und mit der zweiten Hand eine Stange hält, an der eine dritte Hand befestigt zu sein scheint, die drei Bälle jongliert. Die Figur selbst hat dabei grobe menschliche Proportionen, wobei Kopf und Hände verhältnismäßig klein zum restlichen Körper sind, der in einem Camouflage-artigen Muster aus einem dunklen Blau und gelblichem Grün gehalten ist. Auch in der zweiten Arbeit sind die Proportionen der Frau als Turm“ nur in wenigen Partien – wie beispielsweise dem Gesicht – menschlichen Zügen nachempfunden. Der restliche Körper geht in einfach rundliche Formen über, die ausgeführt in grauen Schattierungen an Steine erinnern und so die menschliche Figur wortwörtlich zum Turm wird. Beide Darstellungen wirken der Realität entrückt und mit einer jeweils eigenen Qualität übermenschlich: zum einen durch das Geschick und die Agilität der Zirkusfigur und zum anderen die mittels der Robustheit der Frau, die man allegorisch als standhaft übersetzen könnte. Beiden Figuren haftet jenseits dieser Zuschreibungen etwas Mythisches an.

Was Arik Brauer neben seiner bildnerischen Praxis auszeichnet, ist ebenfalls sein musikalisches Schaffen. Mit seinen verschiedenen Veröffentlichungen in den 1970er-Jahren lässt er sich zu den Vätern des sogenannten Austropop rechnen. Darüber hinaus war er eine wichtige Stimme in gesellschaftlichen Debatten um Fragen von Antisemitismus. Da Brauer nicht nur seine Eltern durch die Shoah verloren hat, sondern auch selbst Gewalterfahrungen machen musste, wurde er Zeit seines Lebens nicht müde sich in den Diskurs einzubringen, was ihm auch eine gesellschaftsrelevante Bedeutung für Österreich über seine Kunst hinaus zu kommen lässt.

 

  1. Arik Brauer Diverse Erinnerungen“, in: Die Phantasten, hrsg. von Gesellschaft bildender Künstler, Österreichs, Ausst.-Kat. Künstlerhaus Wien, Wien 1990, S. 93.