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Wolfgang Hutter

Wolfgang Hutter, Fliegende Köpfe, 1960

Öl auf Leinwand
3747 cm, Rahmenmaße: 5060,5 cm

Courtesy Peter Infeld Privatstiftung, Vienna

Auch Wolfgang Hutter zählt zu den zentralen Mitgliedern der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Er studierte von 1945 bis 1950 an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei seinem leiblichen Vater Albert Paris Gütersloh. Zu diesem Zeitpunkt war die familiäre Verbindung zwischen beiden öffentlich nicht bekannt. Hutter ist der Sohn von Milena Hutter, die eine jahrelange Liebesaffäre mit Albert Paris Gütersloh verband. Gütersloh erkannte Wolfgang Hutter erst in seinem Testament 1973 als seinen Sohn an. Diese persönliche Verbindungslinie hat sicher in der zwischenmenschlichen Beziehung der beiden Männer eine Rolle gespielt, aber am Ende überzeugen die Werke des Malers vor allem durch ihre ganz eigene Qualität.

Sein Stil und sein Repertoire sind vielleicht im Vergleich das eigenständigste und farblich intensivste aller Phantasten. Seine Landschaften – meist gartenartige Außenräume, die an phantastische Bühnenbilder erinnern – sind bevölkert von exotischen Pflanzen, Chimären und anderen Wesen, die in komplexe Szenarien arrangiert, oft zu süßen“ und im wortwörtlichen Sinne traumhaften Gebilden werden. Sein Vater Gütersloh beschrieb diese Landschaften in einem Text über Hutter wie folgt: Nicht aber nach dem Vorbild der nichts als gegenständlichen Künstler, die Blumen und andere Dinge, welche alle zusammen nur eine sehr einfache Erzählung ergeben, das Durcheinandergeworfene auf dem Stilllebentisch nach den Abbildern optischer Gesichtspunkte zu ordnen trachten; sie schweben vielmehr wurzellos in den blauen Lüften […] hier nämlich sind die beiden Richtungen die gegenständliche und die abstrahierende, durch einen vom Maler erzeugten Frieden für diesen Augenblick wenigstens miteinander verbunden.“1 

So auch in der gezeigten Arbeit Fliegende Köpfe (1960): Wir sehen die titelgebenden Köpfe, die jeweils mit zwei Paar Flügeln ausgestattet, eine Anmutung haben als ob es sich um Mischwesen aus Mensch und Kolibri handelte. Die fliegenden Wesen passieren mehrere Pflanzen, die man im weiteren Sinne als Blumen bezeichnen könnte. Sie alle eint der akkurate Stängel und eine gewisse Geradlinigkeit. Der rötliche Boden ist in einer Art Streifenmuster ausgeführt und alle anderen Körper – von den fliegenden Köpfen abgesehen – haben eine eher linienhafte, geometrische Form und wirken unorganisch. Vielleicht sind gerade bei Hutter die Anleihen an Altarbilder wie von Hieronymus Bosch am deutlichsten, denn zu den fröhlichen paradiesischen Bildern gibt es im Gesamtwerk auch dunkle Gegenstücke, die eher an Darstellungen von Fegefeuer erinnern und parallel entstanden.

Hutter hat sich stets gegen zu einfache Deutungsmuster seiner Arbeiten gewehrt und sich gegen zu starke kunsthistorische Einordnung und Inhalte jenseits des Werkes geäußert. In diesem Sinne ist es spannend die Phantasten oder zumindest Hutter als eine Art Bewegung gegen die Malerei der Moderne zu verstehen, und auch die andere Rolle des Künstlers innerhalb der Gesellschaft und im Verhältnis zum Publikum: Es muss auch eine Höflichkeit vom Künstler zu seinem Publikum geben. Wir erwarten doch beide voneinander viel. Es kann doch nicht unser Wille sein, uns brüllend und schreiend zu begegnen, wo doch auf beiden Seiten der Wunsch nach Freude und Umarmung besteht. Begriffe wie Schönheit, Eleganz, Können, Bezeichnungen wie gute Technik, delikate Oberfläche, Harmonie und ähnliches sind leider außer Dienst gestellt und manchmal in Schimpfwörter umgewandelt worden. Nach diesen Überlegungen um die große Kluft zwischen Publikum und der sogenannten Modernen Kunst“ ist es wohl angebracht, über die Freiheit“ des künstlerischen Menschen Überlegungen anzustellen.“2 

Am Ende sind diese Überlegungen darauf ausgerichtet, nicht nur dem Künstler in seinem Tun die größtmögliche Freiheit zu gewährleisten, was Hutter im übrigen in seiner Gegenwart durchaus als gegeben sieht, sondern auch die Betrachter*innen im besten Sinne wieder in die Mündigkeit zu entlassen. Dabei steht die direkte Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter*in im Mittelpunkt und wird als ein gesellschaftliches Ideal angesehen.

 

  1. Albert Paris Gütersloh, Vom Eros des Malers“, in: Die Phantasten, hrsg. von Gesellschaft bildender Künstler Österreichs, Künstlerhaus Wien, Wien 1990, S. 245.
     
  2. Wolfgang Hutter, Eine traurige Geschichte – Gibt es noch die sogenannte Kunst?“, in: Die Phantasten, hrsg. von Gesellschaft bildender Künstler Österreichs, Künstlerhaus Wien, Wien 1990, S. 248 f.