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Walter Behrens

Walter Behrens, Verstand und Gefühl (Ewigkeit und Zeit), 1947 – 48

Öl auf Hartfaserplatte
39,467 cm, Rahmenmaße: 50,578,55 cm

Courtesy Österreichische Galerie Belvedere, Wien, Foto: Belvedere, Wien

Als Sohn deutscher Eltern stieß Walter Behrens erst relativ spät zu seinen Wegbegleitern. Einen Teil seines Studiums absolvierte Behrens an der Hamburger Kunstgewerbeschule. Nach dem Krieg, welchen er im Militärdienst verbrachte, absolvierte er zwei weitere Semester an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Carl Fahringer. Behrens wurde Mitglied des Art Club, aus dem heraus sich auch die Wiener Schule des Phantastischen Realismus gründete, obwohl der Name der Gruppe erst einige Jahre später entstand. 

Obwohl seine Arbeit klar und geradezu exemplarisch der Strömung zugeordnet werden kann und er oftmals als eines der Gründungsmitglieder der Gruppe genannt wird, waren seine Arbeiten nicht in den wichtigen Ausstellungen der Schule vertreten, und er blieb damit auch eher abseits vom größeren internationalen Erfolg der Gruppe. 

In Verstand und Gefühl (Ewigkeit und Zeit) (1947 – 48) schauen wir als Betrachter*innen frontal in einen Innenraum, der durch Boden, Wände und ein Fenster gekennzeichnet ist. Der Raum selbst mutet jedoch eher wie eine Wüstenlandschaft bei Nacht an. Die Wände gleichen einem leicht wolkenverhangenen Himmel, wobei die Perspektive durch die eine Wolke leicht aufgebrochen wird, die durchs Fenster hinein zu ziehen scheint. Trotzdem verdichtet sich die Idee eines nahezu bühnenbildhaften Innenraums, wenn man den abblätternden Putz oben rechts im Hintergrund betrachtet oder das Stück Mauerwerk, welches die Seitenkante des Fensters freigibt. Unterhalb des Fensters befindet sich außerdem eine Steckdose, die zu einem zweiten spannenden und humorvollen Aspekt des Bildes überleitet. Zum einen fällt durch das Fenster natürliches Licht ein und zum anderen wird der Raum auch mittels einer Glühbirne erleuchtet, welche an einem Kabel von der Decke hängend im Zentrum des Bildes prangt. Das Natürliche und Künstliche stehen hier in einer merkwürdigen Verschränkung beieinander. 

In Behrens‘ Arbeit lässt sich in jedem Fall noch eine starke Anleihe an Bildkonstruktionen festmachen, wie man sie vom internationalen Surrealismus und vor allem von Max Ernst oder Salvador Dali zu kennen glaubt. Jedoch lässt sich auf den zweiten Blick eben auch feststellen, wie anders und viel detaillierter die meisten Bildpartien ausgearbeitet sind. Beim vorliegenden Bild lässt sich das zum Beispiel an der genauen Ausführung des Gerölls und des Wüstenbodens erkennen. Das Thema der Zeit beziehungsweise der Ewigkeit als ihr theoretisches Gegenstück lässt sich ohne weiteres auch in den ikonischen Arbeiten Dalis antreffen. Behrens führt das Thema aber sehr viel näher an der christlichen Ikonographie und dem Topos des Paradieses aus. Neben den beiden halbtransparenten menschlichen Figuren, die wie eine bizarre Darstellung von Adam und Eva anmuten – der Kopf des Mannes wurde durch einen rauchenden Fabrikschornstein ersetzt –, so gilt es auch das Textband am oberen Bildrand zu beachten. Auch in diesem Punkt lässt sich eher die komplexe Miteinbeziehung der Malereigeschichte in ihrer gesamten christlichen Tradition lesen. Während Dali wohl auf moderne Erkenntnisse der Wissenschaft wie Einsteins‘ Relativitätstheorie und darin sich spiegelnden Phantasmagorien aufbaut, so ist der Bezugskosmos von Behrens eher bei Hieronymus Bosch, Giuseppe Arcimboldo oder Peter Paul Rubens zu suchen. Mit Kunstkritiker Johann Muschik, der im übrigen auch den Begriff der Phantastischen Realisten prägte, könnte man sagen: Phantastische Malerei in Österreich hat sehr alte Wurzeln.“1 Muschik entwickelte seine Überlegungen hin zu einer eigenständigen regionalspezifischen phantastischen Malerei mit verschiedenen Zwischenschritten vom Donaustil im Übergang von Spätgotik zu Renaissance über Barock und Romantik bis in die damalige Gegenwart.

 

  1. Johann Muschik, Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus, Wien 1974, S. 57.