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Eva Aeppli

Eva Aeppli, Bella, 1970

Figur in Samtkleid mit Holzstuhl
126 × 52 × 136 cm
Figur: 2104728 cm
Stuhl: 934450 cm

Courtesy / Foto © mumok – Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, ehemals Sammlung Hahn, Köln, erworben 1978

Die 2015 verstorbene Eva Aeppli hinterließ der Nachwelt ein vielschichtiges Werk, das über die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden ist und Figuren in verschiedenen medialen Ausfertigungen ins Zentrum rückt. Die dünnen Figuren, denen oft wenig Individuelles anhaftet, bildete sie mit Kohle auf Papier, mit Öl auf Leinwand oder stickte sie mit Garn und Wolle auf Seide. Seit der frühen Phase des Werkes entwickelte sie aber auch parallel Skulpturen aus Stoff, die sie in Gruppen als auch Installationen zeigte. Die ausgestellte Arbeit Bella (1970) war zunächst Teil einer solchen Gruppe aus 30 Figuren, die 1970/71 in Frankreich, der Schweiz und Deutschland gezeigt wurde. Ein Teil der Gruppe ist in die baumhohe Kollektivplastik Le Cyclop (1969 – 94), eingegangen, die u. a. von ihrem ersten Mann Jean Tinguely in einem Wald bei Milly-la-Foret südlich von Paris initiiert wurde.

Thematisch kreisen die Arbeiten um düstere Themen, wie den Tod und existenzielle menschliche Krisen im Allgemeinen, nehmen aber auch Bezug auf konkrete politische Ereignisse wie die Schrecken des Krieges und das Töten im industriellen Maßstab während der Shoah. Die Künstlerin zählt selbst nicht zu den Phantastischen Realisten, ist aber eine Zeitgenossin, die einen Arbeitsansatz verfolgt, der eine gemeinsame Betrachtung lohnenswert macht. Ihre Arbeiten kreisen thematisch weder um das Religiöse noch das Mystische im weiteren Sinne, es lässt sich aber über Fragestellungen um existenzielle Krisen ein Zusammenhang herstellen. Der psychologische Abgrund, der das Individuum im Krieg und in seinen Folgen erfasst hat, findet sich gleichermaßen bei Aeppli wie auch bei den Phantasten. Der Umgang damit ist zwar nicht gleich, aber eben doch vergleichbar. Im Gegensatz zu den internationalen Surrealisten zielen die Phantasten nicht nur auf eine theoretische Bild- und Abbild-Debatte, die sich mittels der Malerei erzeugen lässt, sondern schauen gerade in der frühen Nachkriegszeit auf weltliche Umstände, die aus den Fugen geraten zu sein scheinen und damit auch ins Absurde oder Groteske gekippt sind. Jenes Welttheater findet sich in einer etwas düsteren Spielform dann auch bei Aeppli. Die einzelnen und isolierten Figuren in schmaler und ausgemergelt wirkender Ausführung bedienen sich einer Formsprache, die die Betrachter*innen beispielsweise an Giacometti denken lassen kann, aber eben auch eine künstlerische Eigenständigkeit erreichen, die sie auch aus heutiger Sicht interessant macht. Ihr Freund und Künstlerkollege Daniel Spoerri beschreibt die Künstlerin und ihre Arbeit wie folgt: Eva Aeppli ist die konsequenteste, unbeirrbarste und lauteste Künstlerin, die ich je kennenlernt habe, und wenn ich Künstlerin sage, so meine ich nicht nur Frauen, sondern alle Künstler. Nur von ihrer Magnetnadel geführt, konnte sie es sich leisten 1960 zu malen anzufangen, und zwar in einem Milieu, wo niemand (mehr) malte. […] In ihrem Œuvre, gerade seit sie ihre Stofffiguren in Metall gießen lässt, erreicht sie eine Eigenständigkeit, die in der heutigen Bildhauerei einzigartig ist.“ 1 

Eine ähnliche Problematik in Bezug auf die Figuration in der Malerei haben die Phantasten zumindest auch angetroffen. Wobei zu ihrer Anfangszeit die abstrakte Malerei noch eine starke Vormachtstellung hatte. 

Die Arbeit von Eva Aeppli hat in der jüngeren Rezeptionsgeschichte mit der Teilnahme an The Uncanny von Mike Kelly einen spannenden Moment erlebt. Der US-amerikanische Künstler trug für sein Projekt an der Tate Liverpool und dem mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (beide 2004) Kunstwerke, Archivalien und Objekte aus der Popkultur zusammen, die das Unheimliche in sich tragen. Nach dem Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, ist das Unheimliche keine rein ästhetische Kategorie, sondern eine verborgene, vertraute Sache, die unterdrückt wurde und dann wiederauftauchte.“ 

In einem ähnlichen Sinne lassen sich die Arbeiten von Eva Aeppli im Kontext der Ausstellung verstehen, und so lässt sich auch eine inhaltliche Brücke zur Wiener Schule des Phantastischen Realismus schlagen.

 

  1. Daniel Spoerri, Eva Aeppli“, in: Eva Aeppli. Bilder 1960 – 1964, Ausst.-Kat. Galerie Littmann, Basel 1985.