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Fantastic Surrealists – Intro

Die Ausstellung Fantastic Surrealists wirft einen frischen Blick auf das Phantastische und seine verdrängten Welten. Der Phantastische Realismus war neben dem Wiener Aktionismus der wohl bekannteste genuin österreichische Beitrag der letzten Jahrzehnte zum internationalen Kunstgeschehen, die sich beide konträr und aus ganz unterschiedlichen Gründen zur zeitgleich wirkmächtigsten Entwicklung, dem Abstrakten Expressionismus, entwickelten. Um den Phantastischen Realismus wurde es vergleichsweise ruhig, obwohl der Surrealismus und seine diversen nachwirkenden Spielarten gerade nach der letzten Venedig-Biennale wieder gefragt sind. Doch geht es im Phantastischen Realismus und vieler seiner Arbeiten nicht auch um ein mehrdeutiges Sprachspiel, dass das Phantastische nicht im Realismus, sondern eigentlich im Surrealismus liege? Und schließlich, worin liegt das Surreale im Realen, könnte nicht gerade darin der Missing Link für eine aktuell gewinnbringende Betrachtung liegen? 

In Österreich hat sich innerhalb der jüngeren Kunstgeschichte und über die gesamte Strecke des zwanzigsten Jahrhunderts ein Interesse am Abgründigen, Jenseitigen, Psychologisch-Tiefschürfenden und mitunter Gewaltvollen manifestiert. Am deutlichsten lässt sich dies wohl an der losen Gruppierung der Phantastischen Realisten ablesen, deren Wirkungszeit sich ungefähr auf die 1950er- bis 1980er-Jahre eingrenzen lässt, in denen sie nicht nur den Diskurs der Zeit stark mitprägten, sondern auch viele Schlüsselstellen innerhalb der Kulturinstitutionen des Landes innehatten und auch in zahlreiche Sammlungen Österreichs Einzug fanden. Mit dieser Vormacht-stellung im Hinterkopf verwundert es aus heutiger Sicht, dass sie keine zentralere Rolle innerhalb des kulturellen Gedächtnisses einnehmen. In den meisten Sammlungspräsentation sind sie inzwischen kaum mehr vertreten und viele Werke fristen in den Depots ihr Dasein. Auf der anderen Seite erfahren sie gerade eine gewisse Renaissance, die sich auch aus dem international neu erwachten Interesse an surrealistischen Strömungen und ihren unterschiedlichen Ausformulierungen erklärt. 

Die Zuschreibung des Begriffes Phantastischer Realismus stammte vom Kunstkritiker Johann Muschik, der dies als Unterscheidung und Betonung einer Eigenart der Wiener Strömung im Gegensatz zum internationalen französischen Surrealismus einbrachte. Ihm zu folge liegt bei den Wiener Phantasten das handwerklich perfektionierte und verstandsmäßig bewusste Malen ohne Abkehr von der Ratio als Spezifikum vor, die das phantastische Element gebrauchen um ein Wirklichkeitselement zu steigern“. Demgegenüber ist das Interesse für das Unbewusste, die psychischen Automatismen und die ausführende Varianz bei den internationalen Akteur*innen sehr viel stärker, wobei das Phantastisch-Erotische als inhaltliche Verbindung angesehen wurde. 

Der Begriff des Realismus scheint hier doch etwas irreführend gewählt, da er üblicherweise mit einem sozialkritischen, die konkreten Verhältnisse abbildenden politischen Interesse in Zusammenhang gebracht wird, und insoferne einer phantasmagorischen Lesart zuwiderläuft. In Anbetracht vieler und besonders früher Arbeiten der Gruppe und ihres erweiterten Umfeldes bietet sich aktuell eine verstärkte Sichtweise auf die heute wieder vermehrt zu erkennenden surrealistischen Einflüsse an. Die in ihrer Nachwirkung bis heute spürbare Kunstrichtung des Surrealismus hat sich in wesentlich ausgeprägteren Zügen international, jedoch vergleichsweise nicht in Österreich entwickelt – vielmehr eher verhalten und in Teilen verschoben, möglicherweise entgegen seiner zentralen Wirkmacht und Ausprägung. Dies scheint umso paradoxer, wiewohl zentrale Fragestellungen um Psyche, Körper, Subjektivität und Geschichte/​n hierzulande wie sonst kaum wo theoretisch wie künstlerisch untersucht wie aufgearbeitet wurden. 

Dabei werden neben den Begründern der Phantastischen Realisten, Arik Brauer, Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter, Anton Lehmden und ursprünglich auch Helmut Leherb, bislang nicht oder nur teils in diesem Zusammenhang wie Umfeld gesehene Künstler*innen betrachtet. Dass diese Künstler*innen mitunter eine inhaltlich gegenläufige Haltung und Abgrenzung auszeichnet sei vorausgesetzt, aus einem entsprechenden Abstand wie Interesse heraus lassen sich aber wesentliche Gemeinsamkeiten erkennen, die einem zuletzt wieder gewachsenem Interesse an surrealen, phantasmagorischen Strömungen geschuldet sind, wofür gerade das österreichische Umfeld wie dessen diverse Geschichte ein reiches Anschauungsmaterial bieten. 

Einer diesbezüglich aktualisierten Auseinandersetzung einer geläufigen Form unter veränderten, erweiterten Vorzeichen stellt sich dieses etwas quer zur gängigen Rezeption hin ausgelegte Projekt Fantastic Surrealists, das sich neben einer Ausstellung auch um ein entsprechend ausgerichtetes Rahmen- und Vermittlungsprogramm bemüht. Die Faszination für Positionen, die nicht zentral im Fokus der aktuellen Kani stehen, ist Teil der programmatischen Ausrichtung der HALLE FÜR KUNST, um deren veränderte Relevanz und Anschlussfähigkeit zu aktuellen Entwicklungen zu zeigen. Möglicherweise kommt es durch die Präsentation zu einem frischen Blick auf ein bislang etwas fixiertes und darin verklärtes Bild einer spezifisch österreichischen Geschichte, deren diverse Nachwirkungen nicht zu unterschätzen sind und auch darin ihre dialogischen Wechselwirkungen zwischen dem Phantastischen, dem Realen und dem Surrealen erleben lassen. 

Korrespondierend und zeitgleich wird die kroatischen Künstler*innengruppe TARWUK (2014 in New York gegründet) präsentiert, der man ein ähnliches inhaltliches Interesse zuschreiben kann. In der Gegenüberstellung mit dieser zeitgenössischen Setzung unternimmt die HALLE FÜR KUNST Steiermark den Versuch, Werke aus dieser phantastischen“ Periode auf ihre Gegenwärtigkeit hin zu untersuchen.

Kuratiert von Sandro Droschl