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3. Klangkörper & Soundscape

Sowohl die Ausstellung Ever/​Repair, als auch die in ihr stattfindende Performance werden von Soundscapes begleitet, die durch von Dirk Bell modifizierte Lautsprecherskulpturen ausgestrahlt, eine auditive und literarische Erzählung schaffen, die zur Erweiterung des Erfahrungsraums der Besucher:innen beitragen.

Für seine transformierten Klangkörper hat Dirk Bell Lautsprechergehäuse handwerklich geschaffen und diese auf Soundboxen angebracht. Diese von Dirk Bell transformierten Lautsprecher fungieren selbst schon als Skulpturen: Ganz nach Lewis und Bells Verständnis einer erweiterten Bühne, in denen sich die Grenzen von Bühnenbild, Performer:innen und Besucher:innen auflösen und ineinander übergehen, sind auch die Objekte selbst in Form der Boxen Teil dessen, was als das Gesamtgefüge verstanden und über die auditive Ebene noch erweitert wird. Somit unterscheiden Bell und Lewis nicht zwischen intersubjektiven und interobjektiven Beziehungen, sondern verstehen gleich einer Assemblage auch jene Bassboxen als Charaktere oder Individuen innerhalb des Gesamtgefüges. Darüber hinaus fungiert ihre Ausstellung nicht ausschließlich über eine visuelle Ebene, sondern versteht sich als eine allumfassende Erfahrung, die multiple Sinne, wie das Hören, das Sehen und das Tasten anspricht.

Auch bei der für die Ausstellung konzipierten Klanglandschaft handelt es sich um eine Kooperation des Künstler:innenpaars. Integriert in den einstündigen Loop sind unsystematische Audio-Stücke von Bell, fragmentarische Sounds von Lewis sowie von Lewis ausgewählte literarische Sektionen aus Sylvia Wynters Stück Maskarade (1970), die zu atmosphärisch-meditativen Schwingungen avancieren. Untermalt werden diese eher kryptischen Zitate von Lewis meditativen, wie Spoken Words klingende Musikstücke, die oft auch an Gospels und Spirituals christlicher Chöre denken lassen und der gesamten Ausstellung so eine meditative und atmosphärische Untermalung geben.

Inspiriert ist das Künstler:innenpaar stets von den aus der chinesischen Philosophie, insbesondere dem Taoismus stammenden Begriffen des Ying und des Yang, die zwei sich diametral gegenüberstehenden Kräfte, die sich gleichzeitig immer auch aufeinander beziehen und daher ergänzen. Diese Referenz zu jenen taoistischen Prinzipien, die einerseits autobiografisch, andererseits konzeptuell gedeutet werden, spiegelt sich immer wieder in den räumlichen Strategien und szenografischen Konzepten der beiden Künstler:innen wieder. Dabei geht es ihnen auch hier insbesondere um die Körpererfahrung, die durch den Sound generiert und innerhalb des Gesamtkonstrukts ausgelöst wird. Die Arbeit artikuliert trotz der vermeintlichen Polarität des Künstler:innenpaars ein gemeinsames Interesse an auditiven Gesten, die den Körper und seine gesamten Sinnesorgane ansprechen und so die (A-)tonalität als Teil der Situationen im bereits inszenierten Raum der Ausstellung begreift.

Während Bell insbesondere die beim Zeichnen und Malen entstehenden Geräusche aufgenommen hat, die kratzend, aber auch sanft schraffierend antönen, mit der Intention, seine Malerei gewissermaßen in ein anderes Medium, also in ein Hörerlebnis zu transferieren, ging es Lewis insbesondere darum, auch die inhaltliche Komponente der gesamten Inszenierung, nämlich die Thematiken des Repair, also der Reparation, sowie ihre Beschäftigung mit der gebauten Umwelt in eine sonorische Darstellung zu übersetzen.

Das 1970 von Sylvia Wynter geschriebene Stück Maskarade ist Teil einer größer angelegten Reklamation karibischer Kultur und deren tiefe Verwurzelung im karibischen Raum – auch in topographischer Hinsicht. Maskarade ist exemplarisch für Wynters frühes und vor allem kreatives Schreiben; es handelt sich auch um eine Kritik an der europäischen gesellschaftlichen Ordnung und wie diese der gesamten Welt durch den Kolonialismus aufgezwängt wurde. Wynters Stück behandelt einerseits die Entmenschlichung der durch das Plantagensystem in der Karibik Versklavten und deren Verschiffung insbesondere aus Westafrika innerhalb des transatlantischen Sklaven- und Dreieckhandels, andererseits geht es aber auch darum, die kulturelle Hybridität der Region offenzulegen und so die seit dem Kolonialismus vorherrschenden Rassismen und Dehumanisierungen zu dekonstruieren. Angekommen im Heute ergeben sich daraus nicht nur historische Rückbezüge, sondern auch neue Fragen und Entwicklungen, die in den Klangkörpern und Soundscapes der Künstler:innen nachhallen.

 

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Isabel Lewis & Dirk Bell, The Fool and the Doktor, the King and the Prince, The Queen and the Executioner — Human Life as Maskarade, 2024
Sechs bewegliche Metallrahmen, behängt mit bemalten Stoffen, Stehlampe und Installation von maß- und handgefertigten Lautsprechern und Sound mit den folgenden Audioarbeiten:

Isabel Lewis, REVERSE/SHARE/LOVE modus operandi Sylvia Wynter, 2024
Laufzeit 40 min.

Isabel Lewis, Total Tuning for Total Romance: Partial Repair, 2022
Laufzeit 17 min.
Courtesy die Künstler:innen