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2. Das Bühnenbild, die Installation und weitere malerische Arbeiten

Dirk Bell, Kissen in Eckumarmung (Nach einem Kostümentwurf von Mark Borthwick), 2014

Epoxidharz, Glasfaser, Acryllack, drei bezogene Kissen
1557447 cm

Courtesy der Künstler und BQ, Berlin

Das zentrale Element für die Ausstellungssituation im Hauptraum ist das Bühnenbild der Performance Total Romance: Partial Repair, welches Isabel Lewis und Dirk Bell gemeinsam entwickelt haben. Es besteht aus rechteckigen Metallrahmen mit einem eingeschlossenen Kreis in der Mitte, die sich beliebig erweitern und anpassen und mittels Rollen einfach bewegen lassen und somit schnell in andere räumliche Konstellationen umgebaut werden können.

Für die Halle werden insgesamt sechs dieser Rahmen zu jeweils zwei Gruppen arrangiert. Drapiert mit bemalten Stoffen bilden sie als (semi-)transparente Raumtrenner das Setting der Ausstellung. Ausgehend von der Anziehungskraft, die Strategien und Techniken der Ornamentik auf barocke Theaterbühnen und ihre fantasievollen Szenografien ausüben, haben Bell und Lewis eine Reihe von verzierten, beweglichen Leinwänden entwickelt. Die Stoffe sind im Wesentlichen mit abstrakten Formen gestisch und teilweise grob bemalt. In diesem wolkigen Farbauftrag tauchen nach einiger Zeit und wie aus dem Nichts figurative Elemente wie Vögel oder menschliche Körper teils nur in Ausschnitten auf.

Eine zentrale Rolle kommt bei der Inszenierung dieser Arbeiten dem Licht zu. Die Malereien werden so beleuchtet, dass der Schattenwurf die Figuration dupliziert und wiederholt, genauso wie auch der Schatten der Besucher:innen Teil der immersiven Anordnung wird. Anstatt einen einzigen privilegierten Standpunkt einzunehmen, bieten die Leinwände als Gemälde, die weder eine Vorder- noch eine Rückseite haben, mehrere Ansichten und spielen ständig mit Licht und Transparenz Verstecken respektive Wiederentdecken.

Die mobilen Wände sind poröse Membranen, die mit der Architektur und dem Raum kokettieren und die Besucher:innen zur Teilnahme einladen, anstatt sie auszugrenzen.

Ausgehend von diesem zerlegten und hier wieder neu adaptierten Bühnenbild hat Dirk Bell eine Auswahl seiner Arbeiten der letzten 20 Jahre erstellt, die um Themen rund um das Bühnenbild, wie etwa Bewegung, das Verhältnis von Kostüm und Rolle oder Intimität kreisen, um die Anordnung zu gestalten und Themen der Performance in seinem eigenen Werk zu entdecken. Gleichzeitig zeigt sich in dieser Untersuchung und Selektion seiner eigenen Arbeiten zugleich, wie tief und weitreichend die Verbindung seiner Arbeit mit der von Lewis ist.

So wird im Bühnenbild“ ein Vorhang verarbeitet, bei dem es sich bereits um eine ältere Arbeit von Bell handelt und die bei einer früheren Ausstellung schon als Raumtrenner fungiert hat. Neben Formen, die sich in der Ausstellung in der Neonarbeit spiegeln, umfassen sie auch das emblematische Wort LOVE (engl. Liebe), welches in verschiedenen Versionen und Materialien immer wieder in der Arbeit Bells auftaucht. Verbindend ist dabei, dass die vier Buchstaben immer ineinander liegen. Auch hier gilt, dass es keine klare Vorder- oder Rückseite gibt, sondern ähnlich flexibel an die jeweilige Architektur angepasst werden kann, um einen Raum im Raum zu erschaffen.

In der rechten Ecke vom Eingang befindet sich die Arbeit Kissen in Eckumarmung (Nach einem Kostümentwurf von Mark Borthwick) (2014). Wie in vielen weiteren Arbeiten taucht in ihr die körperliche Nähe in Form einer Umarmung auf. Die drei Kissen werden von zwei aus der Wand kommenden Armen gehalten. Trotz der Reduktion der körperlichen Darstellung wohnt dieser Geste etwas ungemein Liebes­volles inne. Es scheint fast als würde diese Geste erwidert, ist sie erneut in Ohne Titel (2013) wieder zu finden. Der bemalte Ledermantel, der auf einem Torso einer Schaufensterpuppe gezeigt wird, zeigt am Rücken zwei Unterarme, die den vermeintlichen Körper umschlingen.

Eine weitere über das Material erzeugte Form der Intimität ist die bemalte Matratze Ohne Titel (2015). Die großformatige, in Mischtechnik ausgeführte Malerei zeigt wie zum Kuss geformte Lippen, an denen ein Tropfen herabrinnt. Das Motiv in Kombination mit dem Malgrund, der für ein Doppelbett geeignet wäre, zeigt wie in vielen Arbeiten, die in diesem Raum zu sehen sind, eine körperliche Nähe und Wärme, ohne dass ein Körper selbst im Raum wäre. Die Qualität, diese Nähe zu thematisieren und so zu erzeugen, ist die wesentliche Leistung der verschiedenen malerischen und installativen Elemente im Hauptraum, die es vermögen, die Performer:innen in ihrer Abwesenheit zu vertreten.

 

[3]
Isabel Lewis & Dirk Bell, The Queen/​Executioner, 2019 — 2023
Bleistift auf Papier, beweglicher antiker Kartenständer
3020170 cm
Courtesy die Künstler:innen
 

[4]
Isabel Lewis & Dirk Bell, The Fool and the Doktor, the King and the Prince, The Queen and the Executioner — Human Life as Maskarade, 2024
Sechs bewegliche Metallrahmen, behängt mit bemalten Stoffen, Stehlampe und Installation von maß- und handgefertigten Lautsprechern und Sound mit den folgenden Audioarbeiten:

Isabel Lewis, REVERSE/SHARE/LOVE modus operandi Sylvia Wynter, 2024
Laufzeit 40 min.

Isabel Lewis, Total Tuning for Total Romance: Partial Repair, 2022
Laufzeit 17 min.
Courtesy die Künstler:innen
 

[5]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2019
Acryl, Gouache auf Glas, Dachfenster, Kabel, Glühbirne
9266,53 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[6]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2015
Mischtechnik auf Matratze, Aluminium, lackiert
13820221 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[7]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2019
Acryl, Gouache auf Glas, Dachfenster, Kabel, Glühbirne
88739,5 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[8]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2019
Acryl, Gouache auf Glas, Dachfenster, Kabel, Glühbirne
764411 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[9]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2011
Mischtechnik auf Papier
59,579 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[10]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2013
Öl auf Leder
12064 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[11]
Dirk Bell, Kissen in Eckumarmung (Nach einem Kostümentwurf von Mark Borthwick), 2014
Epoxidharz, Glasfaser, Acryllack, drei bezogene Kissen
1557447 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[12]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2009
17 Leuchtstoffröhren, Holz, lackiert; Schaltautomatik (Box)
22013011 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[13]
Dirk Bell, Inside the Carbon Day of Missing You, 2018
Mischtechnik auf Leinwand
48573,5 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[14]
Dirk Bell, Roarer, 2007
3‑teilig, Mischtechnik auf Leinwand
4535 cm; 71,145,7 cm; 6745 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[15]
Dirk Bell, Far to close, 2007
Diptychon, Mischtechnik auf Leinwand
Je 60,980 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[16]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2019
Acryl, Gouache auf Glas, Dachfenster, Kabel, Glühbirne, Acryl auf Papier
786211,5 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin
 

[17]
Dirk Bell, Gesang in einem mit einem die/​das/​der mich nicht kennt, 2017 – 2019
Öl auf Leinwand, Holzleisten
9266,53 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin