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1. Foyer

Dirk Bell, Ohne Titel, 2006

Fotoarbeit auf Barytpapier
4854,5 cm

Courtesy der Künstler und BQ, Berlin

Im Foyer des Untergeschosses beginnt die Ausstellung Ever/​Repair mit einer neuen Installation von Dirk Bell, die aus Zeichnungen besteht, die mitten im Raum stehen und von hinten beleuchtet sind. Die Werkgruppe bildet eine Installation, die als ein Vorbote der Ausstellung zu verstehen ist. Wenn man die Ausstellung selbst als einen Traum deuten würde, dann lässt sich das Foyer als ein transitorischer Ort begreifen, etwa als der Moment kurz vor dem Einschlafen.

Die Installation verbindet wie die gesamte Ausstellung verschiedene Elemente wie Zeichnung, Licht, Bewegung und Sound. Durch einen Ventilator werden lange Papierbahnen in eine kontinuierliche Bewegung gebracht, als ob die Zeichnungen einen Tanz aufführten. Sie sind der verträumte Blick in die Ferne, der oft mit einer Sehnsucht einhergeht. All diese Qualitäten bringen sie als Malgrund mit und bilden somit auch eine Anspielung darauf, welche Aspekte für die Ausstellung von Relevanz sind: Durch ihre zarte Machart und das Spiel mit der Darstellung ist ihnen das Motiv der Überlagerung und das Aufschichten von Ebenen ebenso immanent wie das Moment der Imagination.

Die Malereien selbst reichen von rhythmischer Abstraktion über konkrete Darstellungen hin zu Figurationen. Die verschiedenen Elemente stehen gleichwertig nebeneinander, sind eng miteinander verwoben und fordern die Imagination der Besucher:innen heraus. Die Setzung ist auch gleichermaßen dazu geeignet, als ein Ort zu fungieren, in dem sich Besucher:innen ungezwungen bewegen und gegenseitig beim Betrachten der Zeichnungen begegnen können. Sie dienen als Präsentationsfläche für Zeichnungen, an denen Bell in den letzten Jahren gearbeitet hat, die auf sehr dünnem, transparentem Papier ausgeführt wurden und so durch einen gewissen Rhythmus der Handbewegung mit dem Stift entstanden sind. Diesem Rhythmus folgend entspringen dem Prozess immer wieder kleinere figurative Elemente wie Hände, die für den Künstler im Machen genauso plötzlich auftauchen wie bei den Betrachtenden. Es ist das erste Mal, dass diese Zeichnungen, die parallel zu der gemeinsamen Arbeit mit seiner Partnerin Isabel Lewis entstanden, ausgestellt sind. Die dünnen Papiere werden nicht jedes für sich gezeigt, sondern übereinander. Die unteren scheinen durch die oberen hindurch wie etwa ein mehrfach belichtetes Foto. Mehrere Zeichnungen werden so überlappend auf den Regalen fixiert, was um das figurative Element einen Nebel aus weiteren Strichen und Linien erzeugend, sie zwar nicht gänzlich verbirgt, aber einhüllt.

Die Objekte selbst sorgen für das einzige zusätzliche Licht in diesem Raum und führen in den bühnenhaften Ansatz der gesamten Installation ein. Die Beleuchtung und die gesamte Lichtsituation in der Ausstellung sind nicht aus dem gut ausgeleuchteten Weiß des neutralen Hintergrunds des Museums heraus gedacht, welches Kunstwerke vor allem in ihrer Eigenständigkeit betont, sondern viel mehr als Spiel von Licht und Schatten, in das das Publikum einbezogen werden soll, als Teil der Szenerie. Der Sänger der Band Tocotronic Dirk von Lowtzow hat bereits 2006 in einem Text Bells Art zu arbeiten wie folgt beschrieben: Es sind dies Transformationen, die aus Annäherungen entstehen, denn Dirk Bells Welt ist die Welt der Ähnlichkeiten und Analogien, die Verschmelzung von scheinbar gegensätzlichen Prinzipien, der Blake’schen marriage between heaven and hell‘.“1

Alle Anordnungen, die für die Ausstellung geschaffen worden sind, sind Überblendungen mehrerer Arbeiten eigens für den Raum, teils neu, während andere schon über 15 Jahre alt sind. Sie alle finden ihren Platz in einem fantastischen Stück, das die Künstler:innen in den Raum gebracht haben und das um sie genauso wie um Sehnsucht kreist.

 

[1]
Dirk Bell, Rememembran, 2006 – 24
Zeichnungen auf Papier, zwei handgefertigte Regale, Ventilator, diverse Objekte
36040200 cm
Courtesy der Künstler
 

[2]
Dirk Bell, Ohne Titel, 2006
Fotoarbeit auf Barytpapier
4854,5 cm
Courtesy der Künstler und BQ, Berlin


1 Dirk von Lowtzow, Feuer und Eis — Ein Besuch bei Dirk Bell, in: Hrsg. Kunstverein Bremerhaven, Dirk Bell, 69, 2007, S. 6 – 15, hier S. 10