Haris Epaminonda
Ursprünglich auf 16mm-Film in Zyperns gedreht, zeigt Chapters (2013) eine Reihe von akribisch inszenierten Szenen in Mitten von fernen Landschaften, archäologischen Ausgrabungsstätten und weißgekalkten leeren Innenräumen. Haris Epaminonda (*1980 Zypern, lebt in Berlin) nutzt die stimmungsvollen Landschaften der Insel. Die satten Farben des Films, die Wüstenbilder, die abstrakten mythologischen Bezüge und die geometrische Kinematographie vermitteln ein Gefühl der Zeitlosigkeit, das eine fiktive Qualität annimmt.
Unter der Zeitlosigkeit der ewig brennenden Sonne Zyperns offenbart sich ein Bildraum verschiedenartiger temporaler wie räumlicher Bezüge, wobei sich sowohl die Subjekte als auch Objekte ständig verschieben und neu zusammenfügen. Ohne einer strikten linearen Sequenz zu folgen, werden durch die Handlungen der Darstellenden und durch den audiovisuellen Verlauf des Films grundlegende Vorstellungen wie Liebe, Verlangen und das Leben nach dem Tod evoziert. Wie bei fast allen seriellen Arbeiten der Künstlerin entsteht auch bei Chapters ein mysteriöses Gefühl der Unvollständigkeit.
Neben einer begrenzten Anzahl szenischer Tableaus und reduzierten Gesten wird das visuelle Narrativ von Chapters von archaischen und mythischen Klängen wie zum Beispiel kontinuierlich spielendes Flötenspiel begleitet, das immer wieder vom Ticken mechanischer Uhren unterbrochen wird. Die Musik wurde von dem Duo Part Wild Horses Mane On Both Sides (Kelly Jayne Jones und Pascal Nichols) eigens für den Film geschaffen, in dem auf dem Set aufgenommene Klänge mit Samples kombiniert wurden, die sie mit Instrumenten aus verschiedenen Epochen produziert haben. Der Rückbezug auf antike Objekte und Musikinstrumente verweist auf die übergreifende Praxis der Künstlerin, Referenzen aus der Vergangenheit und der Gegenwart zu vereinen, zu rekontextualisieren und potenzielle Bilder zukünftiger Welten zu beschwören. Letzteres lässt sich auch in der Inszenierung und Bewegung der Darsteller nachvollziehen, deren geschminkte Gesichter und kostbare Gewänder den Rhythmus und die visuelle Poesie des Films unterstreichen, der ohne das gesprochene Wort auskommt.
Mit dieser Arbeit verwandelt Epaminonda ihr Heimatland in eine Projektionsfläche für eine Vielfalt an mythologischen Identitäten und arbeitet damit gegen „kunsthistorische Amnesie“, um das Kunstschaffen als eine Art rätselhaftes soziales Ritual darzustellen.
In der Hochhaltung und fortlaufenden Verfeinerung von Ritualen, die auf eine gemeinsame Geschichte der dargestellten Gemeinschaft verweisen, wird das wichtige Zusammenspiel des Einzelnen und der Gruppe deutlich, so dass eine gelassene Selbstverständlichkeit in ihrer Interaktion zu beobachten ist.
Haris Epaminonda
zeigte ihre Arbeiten unter anderem in ausgewählten Einzelausstellungen am Fabra i Coats, Barcelona; der Secession, Wien; dem Aspen Art Museum, Colorado; CAAC, Sevilla; Le Plateau, Paris; Villa du Parc, Annemasse; Fondazione Querini Stampalia, Venedig; Point Centre for Contemporary Art, Nicosia; Modern Art Oxford, Oxford; Kunsthaus Zürich, Zürich; Kunsthalle Lissabon, Lissabon; Badischer Kunstverein, Karlsruhe; MoMA, New York; Schirn Kunsthalle, Frankfurt; Tate Modern, London; Site Gallery, Sheffield; Malmö Konsthall, Malmö und dem Künstlerhaus Bethanien, Berlin. Epaminonda vertrat Zypern auf der 52. Biennale von Venedig, 2007.
In Gruppenausstellungen war sie unter anderem am Hara Museum of Contemporary Art, Tokio; 58. Venedig Biennale, Venedig; Werkleitz, Dessau; Archäologisches Museum, Mykonos; Martin Gropius Bau, Berlin; Fondation Hippocrene, Paris; Hammer Museum, Los Angeles; Madre Museum, Neapel; Jewish Museum, New York; documenta (14), Kassel; Fondazione Prada, Mailand; Leopold-Hoesch Museum & Papiermuseum, Düren; Nationalgalerie Prag; Museum Serralves, Porto; Hamburger Bahnhof, Berlin; CCA Wattis, San Francisco; The Renaissance Society, Chicago; Museo Tamayo, Mexico City; 2013, dOCUMENTA(13), Kassel; Contemporary Art Museum St. Louis, St Louis; New Museum, New York; 9. Sharjah Biennale, Sharjah; 5. Berlin Biennale, Berlin vertreten.
2019 erhielt sie den Silbernen Löwen bei der 58. Ausgabe der Venedig Biennale, Venedig, 2013 den Publikumspreis beim Preis der Nationalgalerie für Junge Kunst Hamburger Bahnhof, Berlin, und 2009 den SB9 Award bei der 9. Sharjah Biennale.