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Jutta Koether

Homohomo 2, 2002

Acryl auf Leinwand
190 × 150 cm

Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/​Köln/​New York

Shirley (Gewirr), 2002

Acryl auf Leinwand
230 × 200 cm

Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/​Köln/​New York

Unvollendete Sympathie, 2002

Acryl auf Leinwand
220 × 200 cm

Courtesy Sammlung Wolfgang Tillmans, Berlin

Jutta Koether (*1958 Köln, lebt in Berlin und New York) ist vor allem dadurch bekannt, dass im Zentrum ihres künstlerischen Interesses nicht das Endprodukt der Malerei, sondern der Vorgang an sich steht. Sie beschäftigt sich mit der Variation seiner sozialen Parameter und will dadurch neue Verhältnisse zwischen den Rezipient_​innen und dem Medium der Malerei untersuchen. Koether arbeitet überwiegend in Form von Werkgruppen, für die sie sich oft vorher festgelegten Verfahren oder Aufgabenstellungen unterordnet.

Die Ausstellung präsentiert drei Arbeiten aus einer Werkserie von Jutta Koether, die den Titel Extremes Europa trägt. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Künstlerin für die Serie hauptsächlich die Farben Rot und Gelb verwendet und die Linie als Ausdrucksmittel dominiert. Im Mittelpunkt der gezeigten Werke steht ein Gemälde mit dem Titel Homohomo 2 (2002), auf welchem sich ein Gesicht befindet, das teilweise von einem metallfarbenen Quadrat bedeckt wird.

Homohomo im Titel der Arbeit spielt auf den italienischen Philosophen Giorgio Agamben an, der mit dem Begriff versucht, den Menschen außerhalb seiner gesellschaftlichen Bedingungen zu denken, um ihn in seinem vollen Potenzial neu zu ergründen. Demgegenüber zeichnet sich Jutta Koethers Werk dadurch aus, den Blick und die Rezeption durch das sozial Andere“ immer schon mit aufzunehmen. Merkwürdige Köpfe mit leeren Augen haben sich in kultischer Manier um ein zentrales Antlitz versammelt, von dem ein Strahlenkranz ausgeht. Das Individuum scheint hier im Zentrum der Weltordnung zu stehen und ein abstraktes Prinzip zu verkörpern, das als heilbringende Kraft oder Offenbarung in Erscheinung tritt. Gleichzeitig verbirgt sich das Individuum teils hinter einem silber glänzenden Objekt, oder himmelt es vielmehr an, damit ließe sich ein starker subjektiver Wunsch wie das Streben nach kapitalen Werten bezeichnen.

Anders verhält es sich auf dem Bild Unvollendete Sympathie (2002), auf dem die Köpfe ihren zentralen Bezugspunkt verloren haben. Sie wirken missmutig und fahl, blicken in verschiedene Richtungen und bilden eine Gruppe, die von einer ungewissen Erwartung zusammengehalten wird.

Auf dem Gemälde Shirley (Gewirr) (2002) hat sich die vorherige Unbeweglichkeit in eine kraftvolle Dynamik verwandelt. Die Köpfe haben sich im farblichen Gewirr aufgelöst und werden nur noch durch gestische Spuren und farbliche Umrisse angedeutet. Es besteht keine Chance mehr auf die Eingrenzung einer einzelnen Person und auch die Gruppe hat sich in eine unkontrollierbare Kräftedynamik aufgelöst.

Auf einer abstrakten Ebene veranschaulicht Jutta Koether mögliche Verhältnisse zwischen dem Individuum und der Gruppe, und reflektiert dabei auch soziale Prozesse der Spaltung und Vereinigung, nicht zuletzt innerhalb Europas. Während nur manche Menschen im europäischen Kulturkreis emporgehoben und wirklich in ihrer Individualität geschätzt werden, gibt es andere, denen man die Menschlichkeit schon beinahe abgesprochen hat. Menschen, deren Individualität bedroht ist, können resignieren und in einer gesichtslosen Masse verschwinden. Unter diesen Verhältnissen kann auch die mitunter schwer absehbare Dynamik, die manche Menschen in Gruppen entfalten, neu betrachtet werden.

Jutta Koether

*1958 Köln, lebt in Hamburg, Berlin und New York

stellte unter anderem in Soloausstellungen im Museum Brandhorst, München; Serralves Foundation, Porto; Bortolami, New York; Campoli Presti, Paris; Galerie Daniel Buchholz, Berlin; 10th Annual Shanghai Biennial, Shanghai; Galerie Francesca Pia, Zürich und Arnolfini, Bristol aus.

Ihre Arbeiten wurden in Gruppenausstellungen im Hessel Museum, am Bard College, New York; der Galería Moisés Pérez de Albéniz, Madrid; dem Stedelijk Museum, Amsterdam; am mumok, Wien; der SBC Gallery of Contemporary Art and VOX – Centre de l’image, contemporaine, Montréal; der Halle für Kunst, Lüneburg; dem Whitney Museum of American Art, New York; dem New Museum, New York; dem Campoli Presti, Paris; der Tate Modern, London; und der São Paulo Biennial 2012, im São Paulo Museum of Art gezeigt.