III
Brunnen

Caroline Mesquita, Source, 2024
Messing, patinierter Messing, rostfreier Stahl
210 x 160 x 160 cm
Foto: Jean-Christophe Lett
Caroline Mesquita verfeinert ihre Thermenlandschaft dergestalt, dass sie in die Apsis der HALLE FÜR KUNST einen Brunnen mit mehreren Wasserhähnen platziert. Rund um den Brunnen befinden sich goldene Tropfen aus schimmerndem Metall, die wohl Wassertropfen gleichen sollen. Auch zwei ihrer Metallgemälde befinden sich in diesem Raum: eines zeigt erneut einen Wassertropfen, das andere einen Eimer.
Brunnen bilden nicht nur einen Teil von Thermenlandschaften und deren Zyklus, in dem oft am Ende des Badegangs auch die Kühlung der Füße steht, zugleich dienen sie als vom Menschen konstruierte Bauwerke auch der Wassergewinnung aus Grundwasserleitungen oder Quellfassungen. Da Trinkwasser die Voraussetzung für menschliches, tierisches und weiteres mehr-als-menschliches natürliches Leben sowie Überleben ist, kommt Brunnen in der Geschichte der Menschheit eine wesentliche Bedeutung zu. Tatsächlich sind Brunnen im Mittelmeerraum etwa seit 8000 vor Christus nachgewiesen und auch Mesquitas Rekonstruktion dieser Wasserquelle erinnert an einen archäologischen Fundus.
Der Brunnen stellt ein wesentliches Motiv sowohl in der Literatur als auch in der Kunst- und Malereigeschichte dar: oft wurde dort der Brunnen mit der Verjüngung in Verbindung gebracht. Sowohl in der griechischen, als auch in der keltischen Mythologie sah man in dem reinigenden Bad eine Quelle der Wiederherstellung. Die keltische Mythologie überspitzt diese Vorstellung sogar noch, indem ein Bad im Jungbrunnen ewige Jugend und Unsterblichkeit verleihen sollte. Insbesondere im Gemälde Der Jungbrunnen von Ludwig Cranach dem Älteren aus dem Jahr 1546 wird jener Mythos ikonographisch als ein Bad dargestellt, das durchaus mit Caroline Mesquitas räumlicher Realisierung der Badelandschaft im Hauptsaal der Ausstellung vergleichbar ist, jedoch wurden hier die Charaktere mit tierischen und übermenschlichen Figuren vertauscht. Auch der literarische Topos des locus amoenus, was soviel wie lieblicher Ort bedeutet, wurde oft mit dem Brunnen gleichgesetzt, bei dem es sich um das Hauptmotiv der idealisierenden Naturschilderung von der römischen Kaiserzeit bis zum 16. Jahrhundert handelte.
In den Märchen etwa der Brüder Grimm taucht der Brunnen abermals als ein Tor zu einer anderen Welt auf, wie etwa in dem Märchen Frau Holle, in dem eine Witwe ihre schöne, fleißige Stieftochter am Brunnen spinnen lässt, während ihre hässliche, eigene Tochter ihrer Faulheit unbeirrt nachgehen kann. Als der spinnenden Stieftochter ihre Spule in den Brunnen fällt und ihre Stiefmutter sie zwingt, diese hochzuholen, erwacht sie auf einer blühenden Wiese. Das Mädchen erfüllt die Bitten eines sprechenden Brotes und Baumes, arbeitet fleißig für Frau Holle und schüttelt deren Bett, damit es schneit. Als sie aber Heimweh bekommt, lässt Frau Holle sie gehen und belohnt sie mit Gold, mit dem sie überschüttet wird. Zu Hause erzählt sie von ihrem Glück, woraufhin die Witwe ihre andere Tochter schickt. Diese jedoch hilft weder dem Brot noch dem Baum und arbeitet nicht. Zur Strafe erhält sie Pech, das für immer an ihr haften bleibt.
Auch Caroline Mesquita scheint mittels ihres Brunnens sowie ihrer installativen Badelandschaft eine Geschichte zu erzählen, die märchenhaft anmutet und uns in eine andere Welt zu überführen vermag. Aber handelt es sich tatsächlich um eine andere Welt oder zeichnet Mesquita nicht vielmehr ein Bild dessen, wie wir zu denken angehalten sind: nämlich nicht anthropozentrisch, sondern das Soziale verstehend als etwas, das sich aus verschiedenen Spezies konstituiert, wobei der Mensch als eine Spezies nicht über anderen steht, sondern lediglich eine von vielen Spezies ist. Damit schafft es die Künstlerin in unserer durch den Klimawandel bedrohten Welt nicht etwa despotische und dystopische Bilder des Untergangs zu schaffen, sondern vielmehr uns lustvoll an das Leben mit anderen Arten, mit Tieren und technischen Wesen, heranzuführen, diese zu respektieren und mit ihnen gemeinsam in einer Welt und einem Raum auf friedliche Art und Weise zu koexistieren.
Source, 2024
Messing, patinierter Messing, rostfreier Stahl
210 × 160 × 160 cm
Goutte bleue, 2024
Patinierter Messing
48 × 56 cm
Seau, 2024
Patinierter Messing
48 × 56 cm
Gant, 2024
Patinierter Messing
56 × 44 cm