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II
Umkleiden

Caroline Mesquita, Grand perroquet; Miroir, 2024

Patinierter Messing
190 × 55 × 95 cm und 77 × 60 cm

Foto: Jean-Christophe Lett

Im Nebenraum rechts zum Saal befinden sich fünf Umkleidekabinen. Die Kabinen dienen nicht nur als weiterer Inbegriff der in der HALLE FÜR KUNST Steiermark rekonstruierten Thermen- und Badlandschaft, zugleich ist ihnen ein humoristischer Voyeurismus inhärent: In jeder der Türen der Kabinen befindet sich ein Guckloch aus Messing, durch das man jeweils als Betrachter:in wie ein Türspion in das Innere der Kabine Einsicht erhält. Allerdings erscheinen nicht etwa Personen, die dabei sind, sich umzuziehen, sondern filmische Arbeiten, die zugleich paradigmatisch für Mesquitas künstlerische Praxis sind.

Ausgehend von ihren Skulpturen und Gruppeninstallationen schafft Mesquita in ihren filmischen Arbeiten fantastische Universen, wobei jeder einzelne Film eine Neukonfiguration von traumhaften Narrativen hervorbringt, die auch als alternative oder jenseitige Realitäten gedeutet werden können und dennoch die Frage von tierischer, menschlicher und technologischer Koexistenz neu stellen. In den hier gezeigten Videos lässt sie ihre abstrakten rhythmisch-geometrischen Puppen zum Leben erwachen, dies oftmals in einer Momentaufnahme, einem Augenblick, in dem eine Figur eben das Auge öffnet und schließt (Clin d’Œil) oder in minimal wirkenden Mutationen eine Figur ihre Augenbrauen und ihren Mund bewegt (Noctambules Roger). Dann wieder lässt sie ihre Wesen in einer Gruppe tanzen (Le Groupe) oder aber gewissermaßen ineinander wachsen, schlängelnd und kriechend. Auch Mesquita selbst inszeniert sich immer wieder als Protagonistin ihrer Filme, hier ebenfalls nur ausschnitthaft, färbt sich ihre Hand golden, um sie dann wieder zu entfärben (La Main) oder lässt ihre skulpturale hier robotisch anmutende, sich bewegende Hand mit anderen menschlichen Protagonist:innen interagieren und schafft so eine neue visuelle Ebene dessen, was technischer Fortschritt mit humanem Leben gemein haben kann.

Mesquitas filmische Arbeiten zeichnen sich durch eine nahezu imperfekte Ästhetik aus, denn die Künstlerin verwendet Pixilation, eine Stop-Motion-Technik, bei der die tatsächlichen Schauspieler:innen ebenso wie ihre metallenen Pendants Bild für Bild fotografiert werden, um in einem animierten Video zu erscheinen. Ähnlich wie bei ihren Skulpturen nutzt sie hiermit ebenfalls eine Technik, die wir aus der Hochzeit der Moderne kennen und die uns aus der Film- und der Kunstgeschichte und somit des frühen Films vertraut ist. Ihre filmischen Werke sowie auch ihre Skulpturen erhalten etwas Zeitloses und sind auch dadurch nicht nur im Hier und Jetzt schwer zu verorten, sie erinnern vielmehr an Bauhaus-Figuren oder auch futuristische Körper und entfalten so ihre traumhafte Wirkung. Damit hebt sie ihre Arbeiten zugleich auf eine fiktive Abstraktionsfolie, über die sie Ideen und Gefühle vermittelt und Betrachter:innen berührt. Es geht Mesquita nie darum, eine absolute Illusion zu schaffen wie etwa im Sinne von Jean Baudrillard, durch die eine falsche oder irreführende Wahrnehmung generiert werden soll, sondern darum Geschichten zu erzählen: Ihrer Praxis ist stets eine zutiefst literarische Komponente inhärent.

Darüber hinaus befinden sich in diesem Raum auch metallene Gemälde: eine schwebende Hand, ein Tropfen in der Luft und eine Wandskulptur, die die Installation ebenso ergänzen wie zieren sowie als Emblem der Gesamtinstallation gedeutet werden können. Darüber hinaus dient eines der Gemälde einer Skulptur als Spiegel, ein Vogel betrachtet sich in einem Spiegelbild selbst. Aber auch ihre goldene, überlebensgroße Hand, die in zahlreichen Filmen als Motiv diente, befindet sich in diesem Nebensaal und wirft durch ihre übermenschlich robotische Struktur Fragen der Interaktionen von Mensch, Natur und Technologie neu auf.

Grand perroquet, 2024
Patinierter Messing
190 × 55 × 95 cm

Miroir, 2024
Patinierter Messing
77 × 60 cm

Félin rouge (moyen), 2024
Patinierter Messing
85 × 25 × 29 cm

La Main, 2024
Video, Farbe, ohne Ton
1:34 Min.

Le Trou, 2024
Video, Farbe, ohne Ton
1:13 Min.

Le Groupe, 2024
Video, Farbe, ohne Ton
2:46 Min.

The Machine Room, 2024
Video, Farbe, ohne Ton
1:39 Min.

Clin d’Œil, 2024
Video, Farbe, ohne Ton
3:45 Min.

Noctambules Roger, 2024
Video, Farbe, ohne Ton
2:19 Min.

Goutte, 2024
Patinierter Messing
77 × 60 cm 

Radio, 2024
Patinierter Messing
56 × 44 cm