TARWUK: Бољи живоt3.6.–24.9.2023
Ausstellung
Бољи живоt ist die erste Einzelausstellung der in New York lebenden Künstler*innen TARWUK in Österreich. Bruno Pogačnik Tremow (*1981, Zagreb) und Ivana Vukšić (*1981, Dubrovnik) arbeiten als eine Einheit und stellen die Erforschung des Selbst in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Beide wurden in Jugoslawien geboren und erlebten den Krieg in den 1990er-Jahren und den darauf folgenden Zerfall der sozialen Ordnung. Das Duo arbeitet seit 2014 zusammen und schafft Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen, Performances, Filme und Installationen, die ihre multidisziplinäre Praxis prägen. Бољи живоt (Bolji život, auf Deutsch Ein besseres Leben) entstand im Dialog mit der spezifischen Architektur der HALLE FÜR KUNST Steiermark.
Ansichten
Text
Im Mittelpunkt der Arbeit der Künstler:innen steht das Experimentieren mit dem Selbstsein, das Verwischen der Grenzen zwischen den Individuen und die genaue Beobachtung der dynamischen Konditionierung des Selbst in Bezug auf die Gesellschaft. Durch die fortlaufende kollaborative Praxis der Künstler*innen, in der es keine Arbeitsteilung gibt, wird die Trennlinie zwischen einer Person und der anderen völlig durchlässig. In diesem Sinne entpuppt sich TARWUK als eine übergreifende Einheit, die in der Lage ist, die Grenzen des Selbst aufzulösen und es den beiden zu ermöglichen, ständig zu verschmelzen und neue, unerwartete Arbeiten zu produzieren.
In Anbetracht der vergangenen Kulturlandschaft, in der sie aufgewachsen sind, und ihrer aktuellen Umgebung ist es nicht verwunderlich, dass die Praxis von TARWUK von der Subversion von kulturell geprägten Stereotypen und Archetypen geprägt ist. Sie lässt sich nicht durch ein bestimmtes künstlerisches Programm oder einen Rahmen betrachten, und vielleicht liegt der Schlüssel zu ihrer Arbeit in ihrem Widerstand gegen eine klare Definierbarkeit. Allerdings ist die Auflösung des Selbst, wie sie von TARWUK praktiziert wird, in erster Linie von der Idee angetrieben, Identität außerhalb der vorgefertigten Schablonen, die Geschichte, Sprache und Politik hervorbringen, zu denken.
Ausgangspunkt der Ausstellung ist eine Gruppe von vier großformatigen Skulpturen, die ursprünglich 2021 in der Collezione Maramotti, einer privaten Stiftung mit Sitz in Reggio Emilia, Italien ausgestellt wurde. Vorgestellt als ein fortlaufender Zyklus der Metamorphose – wobei vier Skulpturen jeweils eine Phase des Entwicklungsprozesses darstellen – werden sie in Graz in der jüngsten Version dieses Prozesses präsentiert. Neu inszeniert, mit den bestehenden Beziehungen zwischen den Skulpturen, wie sie ursprünglich 2021 geformt wurden, erscheinen sie in Graz transformiert und durch die großdimensionierte Skulptur mit dem Titel KLOSKLAS_divco/ZUBB32yeltenb (2020) ergänzt.
Die Skulpturen bestehen aus Objekten und Materialien, die TARWUK entweder „mitgenommen“, gefunden oder recycelt haben. Das frühere Leben dieser Objekte wird unaufhaltsam in diesen Skulpturen wirksam, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden sind, aber dennoch vorher in der Form ihrer Bestandteile existierten. Die theatralische Inszenierung der fünf Skulpturen auf einem großen Sockel, der an sich schon einer Bühne gleicht, wird durch die eigenwillige Beleuchtung von oben noch unterstrichen. Der Idee folgend, mit Objekten zu arbeiten, die Geschichte haben, stieß TARWUK bei einem Besuch in Graz auf das Lampengeschäft Reinberger, wo sie sechs Bauhaus-Deckenleuchten der Serie Mithras aus den 1930-Jahren ausgeliehen haben.
Der Titel der Ausstellung Бољи живоt bezieht sich auf eine jugoslawische Fernsehserie, die zwischen 1987 und 1991 ausgestrahlt wurde. Diese Serie erzählt Geschichten aus dem Alltagsleben einer durchschnittlichen fünfköpfigen Familie in der Post-Tito-Ära, die durch wirtschaftliche Instabilität und wachsendem ethnischen Nationalismus und politischer Dissidenz geprägt war. Бољи живоt ist keine Serie, die an Jugoslawien erinnert, sondern vielmehr eine mit der der Staat aufhörte zu existieren.
Hoch oben an den beiden längeren Seiten der Hauptgalerie befindet sich ein Goldfries mit einer aus dem Titellied entnommenen Strophe der Fernsehserie. Auf der linken Seite ist der Text in lateinischer Schrift und auf der rechten Seite in kyrillischer Schrift. Schrift und Sprache als Codes können hier von jedem entschlüsselt werden, der die Sprachsysteme kennt, für alle anderen Betrachtenden ist der Fries frei von der narrativen Funktion und wird zum Ornament. Dieses ambivalente Verhältnis zwischen Form und Inhalt, aber auch die Rolle des Publikums, das selbst eine Bedeutung schafft, sind für die Arbeitsweise der Künstler*innen von wichtiger Bedeutung. Um die Symmetrie der Galerie, die durch die Wandfriese links und rechts betont wird, zu erhalten, wurde ein zusätzlicher Eingang im linken Bereich der Stirnwand errichtet, die den Hauptsaal und die Apsis trennt. Auf der Rückwand in der Apsis befindet sich ein Gemälde mit dem Titel MRTISKLAAH_Yremogtnom: Gnidnatsrednu_fo_Noitavitluc (2022), das in die Wand eingelassen und so in die bestehende Architektur integriert wurde. Als abschließendes Element der Ausstellung weist es mit seinen formalen Elementen, die sowohl ornamental als auch figurativ sind, auf einen besonderen Bezug zur Zeit der Jahrhundertwende in Österreich und Jugoslawien, auf eine im Entstehen begriffene Moderne, in der sich Kunst und Architektur verbinden.
Бољи живоt zeigt die starke Sensibilität der Künstler:innen für das Umfeld der Ausstellung, aber auch ihren Wunsch, mit ihren Werken einen größeren Kontext zu schaffen, in dem die repräsentativen Funktionen der Kunst untergraben werden. TARWUK untergräbt damit unablässig dogmatische Vorstellungen darüber, was Kunst sein kann und soll, und sie konfrontieren uns mit unseren eigenen Befindlichkeiten, die bestimmen, was wir sehen, wenn wir ihre Werke sehen.
Kuratiert von Cathrin Mayer
Künstler:innen
Teilnehmende Künstler:innen
TARWUK
Solo (u.a.): White Cube, London (2023), Maramotti Collection, Emilia Romagana (2021), Matthew Brown, Los Angeles (2021), Martos Gallery, New York (2020), Lauba, Zagreb (2020), Taito Ryokan, Tokyo (2019), Team Gallery, New York (2018), Museum of Fine Art, Osijek (2017), Ethnographical Museum of Istria, Panzin (2017), Essex Flowers, New York (2017), Museum of Fine Arts, Split (2017), Museum of Modern and Contemporary Art, Rijeka (2016), Lauba, Zagreb (2015)
Shows (u.a.): Drava Art Biennale, Lauba Zagreb (2020), MLU, Osijek (2020), Museum of Contemporary Art Vojvodina, Novi Sad (2018), Museum of Modern Art, Dubrovnik (2018), Art-O-Rama Marseille (2018), JTT, New York (2018), Museum of Contemporary Art Vojvodina, Novi Sad (2018), Inside Out Art Museum, Beijing (2014), NARS Foundation Gallery, New York (2014)
Rezensionen
- Der Standard, "Rätselhaftes abseits der Realität", Katharina Rustler Print, 2.6.2023, JPG (3 MB)
- Mousse Magazine, "TARWUK 'Бољи живоt' at HALLE FÜR KUNST Steiermark, Graz" Online, 19.8.2023
- Contemporary Art Library, Los Angeles Online
Presse
Downloads & Termine
- Einladungskarte TARWUK PDF (621 KB)
- Pressetext TARWUK PDF (114 KB)
- Press text TARWUK PDF (135 KB)