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Future of Melancholia
Philipp Timischl: Molded, Salon of the Museum of Contemporary Art Belgrade
21.3.–4.5.2025

Ausstellung

Kooperation: Museum of Contemporary Art, Belgrade & HALLE FÜR KUNST Steiermark (HK Styria)
Kurator: Sandro Droschl; Koordinierender Kurator: Miroslav Karić

Salon of the Museum of Contemporary Art, Belgrade (MoCAB)
Pariska 1411000 Belgrad

Pressegespräch: 6.3.2025, 19:30 Uhr
Artist Talk: 8.3.2025, 18:00 Uhr

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Philipp Timischl, Monochrome Siblings (Sibling 1), 2024

Tadelakt, Acrylfarbe, Leim, Atelierstaub auf Leinwand, LED-Panels, Mediaplayer, Video 130
Courtesy Layr, Wien

Foto: Holly Fogg

Text

Philipp Timischl ist einer der wesentlichen jüngeren Künstler:innen Österreichs, der unter variantenreicher Einbeziehung medialer und materialbezogener Bezüge eine eigenständige künstlerische Praxis vorantreibt. In transformierten und darin aktuellen Bildern verarbeitet Timischl sowohl persönliche, als auch kritische Momente gegenüber Eindrücken und Herausforderungen unseres zunehmend unter Populismen und Orientierungslosigkeit stehenden Alltags.

Seinen aktuellen Werkzyklus hat der Künstler als Neuproduktion eigens für die Ausstellungsreihe Future of Melancholia hergestellt. Timischl hat für Molded neun Gemälde geschaffen, die bewusst mit der Idee stilistischer Konsistenz brechen und so vorsätzlich mit künstlerischer Verfasserschaft spielen, so dass sich im Sinne des Titels, übersetzbar als geformt“, aber auch verschimmelt“, der Fokus im Rahmen des seriell geprägten Produktionssprozesses ebenfalls verschieben kann. So weisen die Arbeiten alle eine andere Visualität auf: mal handelt es sich um ein textbasiertes Gemälde, dann wieder um eine Aneignung eines SKIMS-Werbeposters, das collagiert auf einer Leinwand zusammengetragen wurde, daneben ein genuin graues Gemälde mit betonähnlichen Texturen, während ein weiteres Ölgemälde einen Wolkenhimmel zeigt.

Diese beabsichtigt gewählte stilistische Varietät hat aber doch vereinheitliche Elemente: nicht nur das Format der Werke von Molded ist gleich, auch trägt die Serie aufwändige Zierleisten, sogenannte Mouloura, wodurch die Werkserie auch an einen Wandverkleidungsbausatz und so typisch französische Innenarchitektur denken lässt. Diese aus traditionellem Kunsthandwerk entlehnte Rahmen und Vertäfelungen sind industriell angefertigt und auf unterschiedlich verarbeitete Leinwände im unteren Bereich als wiederkehrendes skulpturales Element angebracht. Mittels der durch die externe Struktur geschaffene Zusammengehörigkeit der Werke, die nicht durch eine einfach zuordenbare persönliche Handschrift des Künstlers selbst getätigt scheinen, werden auch Fragen von Urheberschaft, Identität und Autorenschaft aufgeworfen.

Die Titel der Gemälde scheinen den Kunstwerken eine weitere Bedeutungsebene hinzuzufügen, entweder beschreibend oder als humorvoller Kommentar zum Medium der zeitgenössischen Malerei und als Anspielung auf das umfassendere Thema der sich wiederholenden Trends in Kunst und Kultur – ein zentrales Thema der Ausstellung. Das Wolkengemälde mit dem Titel If you don’t like the sky, who even are you? zeigt einen wolkenverhangenen blauen Himmel und vermittelt einen ätherischen Eindruck, während es gleichzeitig einer Zimmerdecke ähnelt. The rumors are true: Contemporary painting (ein abstraktes Gemälde mit grünem Farbfeld und grüner Holzwandvertäfelung), The question remains: How to possibly squeeze another painting into this world (bestehend aus vier grauen Mouloura) und I was never going to be a good painting stellen mit ihren Titeln die Notwendigkeit neuer Gemälde und neuer kultureller Produktion in Frage und damit den Wert von Kunst an sich. Auch wenn diese Titel an das absurde Theater von Samuel Beckett erinnern, in dem es um durchtriebene Figuren geht, sind ihre Fragen angesichts der Absurdität der politischen Entwicklungen, mit denen wir heute täglich konfrontiert sind, aktueller denn je. In diesem Sinne betonen die Gemälde Really hard time in this time period, das wie eine Betonleinwand aussieht, und How does one even go to school for four years at this point  sogar, dass mit dem Aufstieg des Populismus, seiner Leugnung (und damit der Beschleunigung) von Krisen wie dem Klimawandel, die nahe Zukunft in der Tat sehr düster aussieht.

Darüber hinaus stellt Timischl die zwei Arbeiten Monochrome Siblings (2024) aus. Auf den aus Tadelakt angefertigen Leinwänden sind auf deren unteren Viertel LED-Panels, die direkt mit dem Gemälde, aber auch der im Video angedeuteten Zwillingssituation spielen. Scheint jener untere Streifen zunächst als ein Bewegbild, das die farbliche Tonalität der restlichen Leinwand in motion zeigt, tauchen nach kurzer Zeit mehrere popkulturelle und historische Paare auf, darunter etwa A‑Hörnchen und B‑Hörnchen, Die Gesandten (1533) von Hans Holbein, der Jüngere, Chucky, die Mörderpuppe und seine Freundin Tiffany sowie Snoop Dogg und Martha Stewart. Obgleich Timischls Appropriation hier auf humoristische Art und Weise betrieben wird, wird auch hier dennoch ein melancholische Malaise deutlich.

Wesentlich ist insbesondere die Anspielung auf das Konzept der Zukunft oder vielmehr an Mark Fisher angelehnt deren Aufhebung, die Timischl in seiner Soloausstellung als Teil von The Future of Melancholia referiert. Hier ist auch die Übersetzung von Molded wesentlich, die Fragen nach der Form und deren Veränderung bis zu ihrer Vergänglichkeit variieren. Timischls Arbeiten ist das, was oft als the uncanny oder das Unheimliche beschrieben wird inhärent, und so wird auch ein Unbehagen nicht nur gegenüber einer zunehmend melancholisch geprägten Gegenwart, sondern vielmehr hinsichtlich ihrer Zukunft deutlich.

Denn Timischls Serie spiegelt Mark Fishers slow cancellation of the future“ wider (2013), bei der letzterer sich auf das von Jacques Derrida inaugurierte Konzept der Hauntologie, also der Idee der Rückkehr oder des Fortbestehens von Elementen aus der kulturellen Vergangenheit, die einem Geist gleich die Gegenwart heimsucht, beziehungsweise argumentiert, dass das in der Moderne etablierte ziel- und nutzorientierte Zeitverständnis tatsächlich durch eine Endlosschleife von kulturellen und sozialen Artefakten, Objekten und Gefügen aus der Vergangenheit ersetzt wird und so eine kulturelle Erneuerung ad absurdum geführt wird. Auch stilistisch arbeitet Timischl hier mit dieser Referenz, indem er nämlich verschiedene Stile und Epochen aufgreifend, eine zeitliche Ambiguität generierend, so nicht nur ein Gefühl der Desorientierung erzeugt, sondern auch mit der vormals benannten Autorenschaft hasardiert. Insbesondere sein textbasiertes Gemälde bezüglich einer fragwürdigen Schulpflicht zeugt von den Unsicherheiten unserer Zeit, die nicht nur The Future of Melancholia, sondern auch eine melancholic future antizipiert und in der Stabilität und Kontinuität als scheinbar unerreichbare Ziele vibrieren.

Die filigranen, klassischen Designs sowie die einheitlichen Maße der Arbeiten bringen die Werke nicht nur in einen Dialog und evozieren Erinnerungen an industrielle Präzision, sondern auch einen nostalgischen Rückblick auf mechanische Drucke und die Vergangenheit an sich, deren Grenzen mit der Gegenwart verwischt werden. Molded bedient sich pop-kultureller Symbole der Vergangenheit und einer Bildsprache, die tatsächlich eine melancholische Visualisierung der cancellation of the future symbolisiert. Timischls Serie lädt die Betrachter:innen in eine fragmentierte Welt ein: Seine Artefakte spiegeln den Moment als zwischen Tradition und Zeitgenössischen oszillierend, wobei auch das Zeitgenössische schon das Vergangene sein kann.

Future of Melancholia ist eine Kooperation des Museum of Contemporary Art in Belgrad und der HALLE FÜR KUNST Steiermark. Die Realisierung des Gesamtprojektes wäre nicht möglich ohne die großzügige Unterstützung der Steiermärkischen Landesregierung, des Österreichischen Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten (BMEIA), der Serbian Academy of Sciences and Arts (mit Senior Curator Žaklina Marković) und des Ministeriums für Kultur der Republik Serbien. Das gesamte Projekt steht im Zusammenhang mit der Initiative Imagine Dignity – Laboratories Of Hope: Regenerating Democratic Prosperity des BMEIA/​Sektion V – Internationale Kulturangelegenheiten.

Insgesamt dient das Projekt dem vertieften Austausch und der kulturellen Verständigung zwischen Serbien, Österreich und der Steiermark hinsichtlich eines gemeinsamen Europas, und gibt einen dialogischen Einblick über das aktuelle Kunstgeschehen der benachbarten Länder.

Future of Melancholia
Weitere Ausstellungsorte:

Future of Melancholia
8.3. – 4.5.2025
Gallery-Legacy of Milica Zorić & Rodoljub Čolaković
Museum of Contemporary Art, Belgrade (MoCAB)
Rodoljuba Čolakovića 2, 11000 Belgrad

Future of Melancholia
22.3. – 8.6.2025
HALLE FÜR KUNST Steiermark
Burgring 2, 8010 Graz

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  • Museum of Contemporary Art, Belgrade (MoCAB)
  • Land Steiermark, Kultur, Europa, Sport
  • Federal Ministry of the Republic of Austria for European and International Affairs
  • Republic of Serbia, Ministry of Culture
  • Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport