Future of MelancholiaPhilipp Timischl: Molded, Salon of the Museum of Contemporary Art Belgrade8.3.–4.5.2025
Eröffnung:
Ausstellung
Kooperation: Museum of Contemporary Art, Belgrade & HALLE FÜR KUNST Steiermark (HK Styria)
Kurator: Sandro Droschl; Koordinierender Kurator: Miroslav Karić
Salon of the Museum of Contemporary Art, Belgrade (MoCAB)
Pariska 14, 11000 Belgrad
Pressegespräch: 7.3.2025, 12:00 Uhr
MoCAB, Ušće 10, Blok 15, 11070 Belgrad
Artist Talk: 8.3.2025, 18:00 Uhr
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Philipp Timischl, Monochrome Siblings (Sibling 1), 2024
Tadelakt, Acrylfarbe, Leim, Atelierstaub auf Leinwand, LED-Panels, Mediaplayer, Video 1′30″
Courtesy Layr, Wien
Foto: Holly Fogg
Text
Philipp Timischl ist einer der wesentlichen jüngeren Künstler:innen Österreichs, der unter variantenreicher Einbeziehung medialer und materialbezogener Bezüge eine eigenständige künstlerische Praxis vorantreibt. In transformierten und darin aktuellen Bildern verarbeitet Timischl sowohl persönliche, als auch kritische Momente gegenüber Eindrücken und Herausforderungen unseres zunehmend unter Populismen und Orientierungslosigkeit stehenden Alltags.
Seinen aktuellen Werkzyklus hat der Künstler als Neuproduktion eigens für die Ausstellungsreihe Future of Melancholia hergestellt. Timischl hat für Molded neun Gemälde geschaffen, die bewusst mit der Idee stilistischer Konsistenz brechen und so vorsätzlich mit künstlerischer Verfasserschaft spielen, so dass sich im Sinne des Titels, übersetzbar als „geformt“, aber auch „verschimmelt“, der Fokus im Rahmen des seriell geprägten Produktionssprozesses ebenfalls verschieben kann. So weisen die Arbeiten alle eine andere Visualität auf: mal handelt es sich um ein textbasiertes Gemälde, dann wieder um eine Aneignung eines SKIMS-Werbeposters, das collagiert auf einer Leinwand zusammengetragen wurde, daneben ein genuin graues Gemälde mit betonähnlichen Texturen, während ein weiteres Ölgemälde einen Wolkenhimmel zeigt.
Diese beabsichtigt gewählte stilistische Varietät hat aber doch vereinheitliche Elemente: nicht nur das Format der Werke von Molded ist gleich, auch trägt die Serie aufwändige Zierleisten, sogenannte Mouloura, wodurch die Werkserie auch an einen Wandverkleidungsbausatz und so typisch französische Innenarchitektur denken lässt. Diese aus traditionellem Kunsthandwerk entlehnte Rahmen und Vertäfelungen sind industriell angefertigt und auf unterschiedlich verarbeitete Leinwände im unteren Bereich als wiederkehrendes skulpturales Element angebracht. Mittels der durch die externe Struktur geschaffene Zusammengehörigkeit der Werke, die nicht durch eine einfach zuordenbare persönliche Handschrift des Künstlers selbst getätigt scheinen, werden auch Fragen von Urheberschaft, Identität und Autorenschaft aufgeworfen. Timischl spielt so bewusst mit der Negation der Idee eines Originals respektive einer künstlerischen Handschrift, wie sie oft auch in der Minimal oder Concept Art der 1960er-Jahre vorherrschend war, indem er ein fertiges Industrieprodukt gekauft hat und verwendet, seine Werke dann aber eben doch gestalterisch signiert, obgleich so gestaltet, dass sich die Autorenschaft nicht gänzlich bestimmen lässt.
Darüber hinaus stellt Timischl die zwei Arbeiten Monochrome Siblings (2024) aus. Auf den aus Tadelakt angefertigen Leinwänden sind auf deren unteren Viertel LED-Panels, die direkt mit dem Gemälde, aber auch der im Video angedeuteten Zwillingssituation spielen. Scheint jener untere Streifen zunächst als ein Bewegbild, das die farbliche Tonalität der restlichen Leinwand in motion zeigt, tauchen nach kurzer Zeit mehrere popkulturelle und historische Paare auf, darunter etwa A‑Hörnchen und B‑Hörnchen, Die Gesandten (1533) von Hans Holbein, der Jüngere, Chucky, die Mörderpuppe und seine Freundin Tiffany sowie Snoop Dogg und Martha Stewart.
Noch wichtiger sind in diesem Kontext, in dem Timischl erneut und noch viel direkter auf (pop-)kulturelle Aneignung zurückgreift, die Schriftzüge, die mit diesen berühmten Paarungen im Video und auch dazwischen erscheinen, wie etwa „We’ve always been by each other’s side“ sowie eine regelrechte Identifizierung des eigenen mit dem anderem, in dem Satz „You are me and I am you.“ Es geht also insbesondere um die Beziehung der beiden Werke Monochrome Siblings selbst, die aus einer gemeinsamen Idee entstanden sind und buchstäblich immer neben einander „abgehangen“ haben. Auch die Idee des Plagiats wird hier referenziert, da sich eben beide Gemälde quasi plagiieren: „How to tastefully plagiarize myself.“ Obgleich Timischls Appropriation hier auf humoristische Art und Weise betrieben wird, wird auch hier dennoch ein melancholische Malaise deutlich.
Wesentlich ist insbesondere die Anspielung auf das Konzept der Zukunft oder vielmehr an Mark Fisher angelehnt deren Aufhebung, die Timischl in seiner Soloausstellung als Teil von The Future of Melancholia referiert. Hier ist auch die Übersetzung von Molded wesentlich, die Fragen nach der Form und deren Veränderung bis zu ihrer Vergänglichkeit variieren. Timischls Arbeiten ist das, was oft als the uncanny oder das Unheimliche beschrieben wird inhärent, und so wird auch ein Unbehagen nicht nur gegenüber einer zunehmend melancholisch geprägten Gegenwart, sondern vielmehr hinsichtlich ihrer Zukunft deutlich.
Denn Timischls Serie spiegelt Mark Fishers „slow cancellation of the future“ wider (2013), bei der letzterer sich auf das von Jacques Derrida inaugurierte Konzept der Hauntologie, also der Idee der Rückkehr oder des Fortbestehens von Elementen aus der kulturellen Vergangenheit, die einem Geist gleich die Gegenwart heimsucht, beziehungsweise argumentiert, dass das in der Moderne etablierte ziel- und nutzorientierte Zeitverständnis tatsächlich durch eine Endlosschleife von kulturellen und sozialen Artefakten, Objekten und Gefügen aus der Vergangenheit ersetzt wird und so eine kulturelle Erneuerung ad absurdum geführt wird. Auch stilistisch arbeitet Timischl hier mit dieser Referenz, indem er nämlich verschiedene Stile und Epochen aufgreifend, eine zeitliche Ambiguität generierend, so nicht nur ein Gefühl der Desorientierung erzeugt, sondern auch mit der vormals benannten Autorenschaft hasardiert. Insbesondere sein textbasiertes Gemälde bezüglich einer fragwürdigen Schulpflicht zeugt von den Unsicherheiten unserer Zeit, die nicht nur The Future of Melancholia, sondern auch eine melancholic future antizipiert und in der Stabilität und Kontinuität als scheinbar unerreichbare Ziele vibrieren.
Die filigranen, klassischen Designs sowie die einheitlichen Maße der Arbeiten bringen die Werke nicht nur in einen Dialog und evozieren Erinnerungen an industrielle Präzision, sondern auch einen nostalgischen Rückblick auf mechanische Drucke und die Vergangenheit an sich, deren Grenzen mit der Gegenwart verwischt werden. Molded bedient sich pop-kultureller Symbole der Vergangenheit und einer Bildsprache, die tatsächlich eine melancholische Visualisierung der cancellation of the future symbolisiert. Timischls Serie lädt die Betrachter:innen in eine fragmentierte Welt ein: Seine Artefakte spiegeln den Moment als zwischen Tradition und Zeitgenössischen oszillierend, wobei auch das Zeitgenössische schon das Vergangene sein kann.
Das gesamte Projekt steht im Zusammenhang mit der Initiative Imagine Dignity – Laboratories Of Hope: Regenerating Democratic Prosperity des BMEIA/Sektion V – Internationale Kulturangelegenheiten und dem besonderen Engagement der Kulturabteilung des Landes Steiermark hin zu Süd-Ost-Europa. Die inhaltliche Initiative geht von Sandro Droschl, Direktor der HALLE FÜR KUNST Steiermark aus, die in enger Abstimmung mit Marijana Kolarić, Direktorin des Museum für zeitgenössische Kunst Belgrad und ihrem Kurator und koordinierenden Projektleiter Miroslav Karić erfolgt. Insgesamt dient das Projekt dem vertieften Austausch und der kulturellen Verständigung zwischen Serbien, Österreich und der Steiermark hinsichtlich eines gemeinsamen Europas, und gibt einen dialogischen Einblick über das aktuelle Kunstgeschehen der benachbarten Länder.
Die Realisierung des Gesamtprojektes wäre nicht möglich ohne die großzügige Unterstützung der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 9, Kultur, Europa, Sport, des Österreichischen Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, des Kulturamts der Stadt Graz, des Museums für Zeitgenössische Kunst Belgrad, der Serbian Academy of Sciences and Arts und des Ministeriums für Kultur der Republik Serbien.
Future of Melancholia
Weitere Ausstellungsorte:
Future of Melancholia
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Gallery-Legacy of Milica Zorić & Rodoljub Čolaković
Museum of Contemporary Art, Belgrade (MoCAB)
Rodoljuba Čolakovića 2, 11000 Belgrad
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21.3. – 8.6.2025
HALLE FÜR KUNST Steiermark
Burgring 2, 8010 Graz
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