Fantastic Surrealists3.6.–10.9.2023
Eröffnung:
Ausstellung
In Österreich hat sich innerhalb der Kunstgeschichte und über weite Teile des zwanzigsten Jahrhunderts ein Interesse am Abgründigen, Jenseitigen, Psychologisch-Tiefschürfenden und mitunter Gewaltvollen manifestiert. Am deutlichsten lässt sich dies vielleicht an der losen Gruppierung der Phantastischen Realisten ablesen. Aus heutiger Sicht verwundert es, dass sie keine zentralere Rolle innerhalb des kulturellen Gedächtnisses einnehmen. Auf der anderen Seite erfahren sie gerade eine gewisse Renaissance, die sich auch aus dem international neu erwachten Interesse an surrealistischen Strömungen und ihren unterschiedlichen Ausformulierungen erklärt.
Mit der Ausstellung Fantastic Surrealists unternimmt die HALLE FÜR KUNST den Versuch, Werke aus dieser „surrealen“ Periode auf ihre ursprüngliche Bedeutung und nicht zuletzt ihre fortlaufende Aktualität hin zu untersuchen.
Ansichten

Anton Lehmden, Zwei Köpfe in einer Landschaft, 1949 – 1950
Öl auf Hartfaserplatte
43 x 57 cm
Courtesy Artothek des Bundes, Dauerleihgabe im Belvedere, Wien
Text
In Österreich hat sich innerhalb der Kunstgeschichte und über weite Teile des zwanzigsten Jahrhunderts ein Interesse am Abgründigen, Jenseitigen, Psychologisch-Tiefschürfenden und mitunter Gewaltvollen manifestiert. Am deutlichsten lässt sich dies vielleicht an der losen Gruppierung der Phantastischen Realisten ablesen, deren Wirkungszeit sich ungefähr auf die 1950er- bis 1980er-Jahre eingrenzen lässt, in denen sie nicht nur den Diskurs der Zeit stark mitprägten, sondern auch viele Schlüsselstellen innerhalb der Kulturinstitutionen des Landes innehatten und auch in alle wichtigen Sammlungen Österreichs Einzug hielten. Mit dieser Vormachtstellung im Hinterkopf verwundert es aus heutiger Sicht, dass sie keine zentralere Rolle innerhalb des kulturellen Gedächtnisses einnehmen. In einigen Sammlungspräsentationen sind sie inzwischen kaum bis nicht mehr vertreten und viele Werke fristen in den Depots ihr Dasein. Auf der anderen Seite erfahren sie gerade eine gewisse Renaissance, die sich auch aus dem international neu erwachten Interesse an surrealistischen Strömungen und ihren unterschiedlichen Ausformulierungen erklärt.
Doch geht es hier nicht im wesentlichen um ein Sprachspiel, wobei das Phantastische im Realismus eigentlich – oder eben vielmehr genau nicht – den Surrealismus meint? Dieser hat sich als progressive internationale Bewegung seit den 1920er-Jahren nachhaltig, hingegen in Österreich eher schwach etabliert, vielmehr entgegen seiner eigenständigen, verstörenden Wirkmacht vergleichsweise verhalten und in Teilen anders ausgeprägt. Diese im Rückblick zu erkennende Zurückhaltung bzw. abgeschwächte Ausprägung des Surrealismus erscheint umso paradoxer, da zentrale Fragestellungen um Psyche, Körper, Subjektivität und Geschichte/n hierzulande wie sonst kaum wo theoretisch wie künstlerisch untersucht wie aufgearbeitet wurden. Es liegt der Verdacht nahe, dass es auch hier zu einer lokalspezifisch verschobenen Geschichte gekommen ist, die Teile der internationalen Entwicklungen an Österreich vorbeiziehen ließ, oder es zu einer Verdrängung gewisser Positionen und Inhalte gekommen ist.
Mit der Ausstellung Fantastic Surrealists unternimmt die HALLE FÜR KUNST den Versuch, Werke aus dieser Periode auf ihre ursprüngliche Bedeutung und nicht zuletzt ihre fortlaufende Aktualität hin zu untersuchen. Dabei werden Vertreter*innen des Phantastischen Realismus gemeinsam mit teils bislang nicht in diesem Zusammenhang gesehenen Künstler*innen betrachtet, um mögliche gemeinsame surrealistische Tendenzen zu untersuchen. Obwohl diese Künstler*innen zumeist eine inhaltlich gegenläufige Haltung und Abgrenzung auszeichnet, lassen sich aus einem entsprechenden Abstand wesentliche Gemeinsamkeiten erkennen, die in einem zuletzt wieder gewachsenem Interesse an surrealen, phantasmagorischen Strömungen liegen, wofür gerade das österreichische Umfeld wie dessen diverse Geschichte reiches Anschauungsmaterial bietet.
Korrespondierend mit der zeitgleichen Präsentation von TARWUK, der man ein ähnliches inhaltliches wie kunsthistorisches Interesse zuschreiben kann, werden in der Ausstellung einige historisch vergleichbare Positionen gezeigt, die eine ähnlich ambivalente Geschichte hin zum internationalen Surrealismus erkennen lassen, und somit weitere regionalspezifische Eigenheiten und Charakteristika bis hin zu potentiellen Schnittmengen zeigen. Die Zusammenstellung ist auch ein Versuch lokale Entwicklungen jenseits der westeuropäischen (hauptsächlich französischen) Strömung des Surrealismus zusammenzudenken, auch um zu zeigen von welchem Interesse sie für die Gegenwart sein könnten.
Möglicherweise kommt es durch die Wahrnehmung im Raum zu einem aktualisierten „surrealen“ Blick auf ein bislang gefestigtes „phantastisches“ Bild auf eine vermeintlich spezifische österreichische Geschichte, die sich einer gegenwärtigen Betrachtung öffnet und darin ihre dialogische Wechselwirkung erkennen lässt. Einer diesbezüglich aktualisierten Auseinandersetzung einer geläufigen Form unter veränderten, erweiterten Vorzeichen stellt sich dieses etwas quer zur gängigen Kunstgeschichte hin ausgelegte Projekt Fantastic Surrealists, das sich neben einer Ausstellung auch um ein entsprechend kritisch besetztes Rahmenprogramm als eine diskursive Erweiterung bemüht. Die Faszination für Positionen, die noch nicht bzw. nicht mehr Teil der aktuellen Kani sind, ist Teil der programmatischen Ausrichtung der HALLE FÜR KUNST. Das Entdecken bzw. Wiederentdecken steht im Zentrum dieses Versuchs einer Ausstellung über regionalspezifische Tendenzen des Surrealismus und ihrer möglichen Bedeutung für die Gegenwart.
Kuratiert von Sandro Droschl
Presse
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