Evelyn Plaschg: Viscous City28.6.–31.8.2025
Eröffnung:
Ausstellung
Die steirische Künstlerin Evelyn Plaschg gilt als herausragende Malerin ihrer Generation, deren Arbeit nun in einer Einzelausstellung in der HALLE FÜR KUNST Steiermark gewürdigt wird. Die Künstlerin verbindet ausgefeilte Techniken und eigene Bildsprachen zu einem malerischen Ansatz, der sich abseits von üblichen Lösungen mit dem Figurativen beschäftigt. Plaschg nutzt das Medium Malerei versiert und auf der Höhe der Zeit, um schlüssige Formen, Ausdrücke und Perspektiven zu finden, die sich zwar innerhalb bekannter Spannungsfelder wie etwa gegenständlich und abstrakt abspielen, dabei aber auch intime, vom Digitalen durchzogene Sphären einfängt. Dies hat viel mit dem Lebensgefühl ihrer Generation zu tun, die das Ausstellen, Inszenieren und Optimieren von Körpern eingeübt und verinnerlicht hat, wie keine zuvor. Die Arbeiten erzählen vom eigenen körperlichen Begehren im Zusammenspiel mit dem Gegenüber, der kollektiven Erfahrung in (realen und imaginierten) gemeinschaftlichen Räumen und sozialen Gefügen, in denen jene aufeinandertreffen.
Ansichten

Evelyn Plaschg, Peel, 2024
Öl auf Leinwand
140 × 100 cm
Courtesy die Künstlerin und Layr, Wien
Foto: Max Eulitz
Text
In ihren Malereien hat Plaschg über lange Zeit Körper zwischen authentischem Ausdruck und Inszenierung in anonymer Form in den Mittelpunkt gestellt. Zu Beginn ihrer Arbeit hat sie ihre Werke nahe an der Figur angelegt und vor allem mit dieser gearbeitet. Basis für die Darstellungen sind zumeist Smartphone-Bilder, die im Zusammenspiel mit anderen Personen ungezwungen entstehen. In der ausgeführten Technik mit Pigmenten auf Papier behalten die malerischen Darstellungen genau diese Qualität: die gezeigten kleinen Szenen und Handlungen wirken direkt, fast beiläufig und situativ. Dabei werden insbesondere persönliche Bezüge und das Umfeld der Künstlerin Teil der Abbildung. Diese bleiben jedoch in der Regel Fragment und werden im Bild auch mit anderen Darstellungselementen kombiniert. Ausschnitte wie etwa Ganzkörperansichten von einzelnen Personen oder Paaren sind dabei klar in der Unterzahl, im Gegensatz zu angeschnittenen Gesichtern und Händen, die teils andere Körperteile verbergen oder auch lasziv mit ihnen spielen. Bei dieser Art und Weise des Zeigens von Körpern handelt es sich nicht um Portraits im engeren Sinne, sondern eher um detaillierte leibliche Darstellungen, denen eher etwas Fleischliches oder in manchen Fällen sogar Mechanisches anhaftet, dann wiederum auch etwas Subjektives oder Persönliches. Diese pulsierenden Kompositionen finden alle in einem nicht näher ausformulierten, jedoch intim anmutenden Bildraum statt. Die einzelnen Bilder oszillieren zwischen einem Spiel der Inszenierung und der Spontanität und Echtheit eines Augenblicks. Genau diese Dualität zwischen Intimität und Inszenierung erweckt beim Betrachten der Arbeiten immer wieder das Gefühl, dass man der Szene möglicherweise überhaupt nicht beiwohnen sollte, sie stört oder als (geduldete:r) Voyeur:in teilnimmt. Dies liegt nicht nur an dem Anschein der Privatheit der Bilder, sondern auch der Nähe der gewählten Zuschnitte, die wie Close-Ups anmuten.
In den letzten beiden Jahren hat Plaschg ihre Arbeit technisch und formal verändert und weiterentwickelt. Parallel zum Wechsel von der Arbeit mit Pigment auf Papier hin zur Ölmalerei auf Leinwand verlagerte sich ihr Interesse auch vom Körper hin zu Objekten des Alltags und zu Räumen, in denen diese zu finden sind. Im Vorfeld der Arbeit entsteht nach wie vor Foto- und Videomaterial durch das Smartphone, das sorgsam für die Motive vorausgewählt wird. Plaschg filmt und sichtet dabei Räume und Oberflächen wie zerknitterte Stoffe und architektonische Strukturen, und überführt sie in diffizile Gesamtkompositionen, denen sowohl etwas Digitales wie auch etwas Unmittelbares anhaftet. Die Körper verschwinden in dieser Verlagerung jedoch nicht, sondern sind in ihrer Darstellung weniger offensichtlich und sind nicht mehr das klare Zentrum der Komposition. Nun werden auch die räumlichen Elemente und Objekte immer mehr zu Schemen und Formen, die temporär in die Abstraktion kippen: So wird ein in weiß und blau gehaltenes Bild zunächst für ein Netz aus weichen Umrissen gehalten und erst durch den gezeigten Schieber eines Reißverschlusses perspektivisch lesbar, wodurch sich dann eine Distanzlosigkeit zum nun sichtbaren Körper einstellt.
Bei der Ausstellung Viscous City in der HALLE FÜR KUNST handelt es sich um die erste institutionelle Einzelpräsentation von Evelyn Plaschg in Österreich, die nicht nur neue Malereien in Öl umfasst, sondern diese in eine Art Gesamtinstallation überführt, die den sich abzeichnenden Weg ihrer Arbeit weiterverfolgt und produktiv mit ihm umgeht. Das untere Geschoss der Institution wird so zu einem Arrangement von Bildsequenzen verdichtet, in dem einzelne Arbeiten in ein größeres Ganzes übergehen. Das lässt sich auch im wörtlichen Sinne verstehen, denn die Künstlerin entwickelt für ihre Bilder eine Hängung mit, die teils klassisch für sich und dann auch in Gruppen ohne oder mit sehr geringem Abstand gehängt funktioniert und so mehrere Motive in eine gemeinsame Anordnung überführt, die an einen Filmstreifen oder einen Kontaktabzug erinnern. Diese Arbeitsweise lässt einen Rhythmus zwischen den einzelnen Bildern und der Architektur des Ausstellungsraumes entstehen, wobei sich beides gegenseitig bedingt und beeinflusst. Durch Wiederholungen und Variationen in der Farbgebung und den Motiven lassen die einzelnen Arbeiten ein Netzwerk entstehen, das sich vor den Besucher:innen im Raum entfaltet. Im Medium der Malerei entwickelt sich bei Plaschg ein wesentlicher Beitrag, der die Ästhetik der aktuellen visuellen Kultur und Bildproduktion in eigenständige Bildwelten verwandelt und darin irritierend spürbar macht. Mit Viscous City artikuliert Evelyn Plaschg ein Interesse für den urbanen Raum und die damit einhergehende Architektur, den Verkehr und die Infrastruktur. Zugleich geht es ihr hier um die Verortung des Subjekts – an einen Ort, an dem Menschen dicht nebeneinander leben, sich begegnen, ganz so wie schon Georg Simmel die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieb. Sie betrachtet diese auch im Sinne von „viscous“ als zähflüssige Substanz, in der sich reibende Partikel wie in einem Organismus begegnen. Die Stadt ist so gesehen im Gegensatz zur Betrachtung (westlicher) Stadforscher:innen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nicht als der Natur entgegengesetzt, sondern kann als pulsierendes Organ verstanden werden, das selbst lebt.
Parallel zur Ausstellung Viscous City entsteht eine Publikation, die den Weg der künstlerischen Entwicklung von Evelyn Plaschg grafisch und anhand von zwei Texten der in Wien lebenden Kunsthistorikerin und Kuratorin Vanessa Joan Müller und der New Yorker Kritikerin und Kuratorin Kari Rittenbach nachzeichnet, breit darstellt und mit der Präsentation in der HALLE FÜR KUNST in eine besondere Form der Konversation tritt.
Kurator: Jan Tappe
Künstler:innen
Teilnehmende Künstler:innen
Evelyn Plaschg
Einzelausstellungen (Auswahl): Paulina Caspari, München (2024), Scherben, Berlin (2024), Layr, Wien (2023), Galerie Kirchgasse, Steckborn (2021), Canopy, Malmö (2021), Kunstverein Nürnberg, Nürnberg (2021), Pina, Wien (2020), Parallel Vienna, Wien (2019), Zeller van Almsick, Wien (2017).
Gruppenausstellungen (Auswahl): Leopold Museum, Wien (2024), Hard Scent Salon, Kopenhagen (2024), Belvedere 21, Wien (2023), The Grand Chelsea, New York (2023), Kunstverein Eisenstadt (2022), Basel Social Club, Basel (2022), Kunstverein Bremerhaven (2022), Smolka Contemporary, Wien (2021), Belvedere 21, Wien (2019), Halle für Kunst, Lüneburg (2018), Acappella, Neapel (2018), Forum Stadtpark, Graz (2017), Glovebox, Auckland (2016), ENSBA, Paris (2016), Neuer Kunstverein, Wien (2016), MUMOK, Wien (2015).
Presse
Downloads & Termine
Partner
Diese Ausstellung wird unterstützt von
- Der Standard