Diego Bianchi: Errores Irreales18.10.2025–18.1.2026
Eröffnung:
Ausstellung
Für seine installative und performative Ausstellung Errores Irreales in der HALLE FÜR KUNST Steiermark verarbeitet der argentinische Künstler Diego Bianchi (*1969 Buenos Aires, lebt in Buenos Aires und zuletzt Paris) ausrangierte und im Stadtraum von Buenos Aires, Paris und vor allem in Graz gefundene Objekte; etwa Autoteile, Metalle, Kunststoffe, Fashion sowie Trash in ausgewählten Varianten. Es entsteht eine bühnenbildhafte Landschaft aus Skulpturen und installativen Interventionen, die verstörend und stylisch zugleich mit dem Körperlichen und quasi Organisch-Innerlichen spielen und in verschiedenen, sich überlagernden Settings – zeitweise auch von Performer:innen aktiviert – zu einem „schwammigen Ganzen“ wird, das paradigmatisch für die Zeit ist, in der wir leben.
Kuratiert von Sandro Droschl
Ansichten

Diego Bianchi, Accessory Body, 2022
Semi-softe Skulptur, Schaum, Eisen, Stoff, Pigmente, Lack und Sneaker
ca. 150 × 120 × 100 cm
Courtesy der Künstler und Galerie Jocelyn Wolff, Romainville/Paris
Foto: Gustavos Sosa Pinilla
Text
Der „Körper“ steht unter Druck. Nur wenig ist uns so wesentlich und nahe, gleichzeitig gestaltbar und verletzlich, wie die Idee und Substanz des Körpers. So wundert es kaum, dass nicht nur seine Wahrnehmung und Interpretation so vieldeutig und umstritten ist, vielmehr seine Darstellung als Plastik, deren traditioneller Begriff es neu hinsichtlich Materialität, Formbarkeit, Hybridität und Fluidität zu fassen gilt. Hier liegt es nahe andere Wege einzuschlagen, um dem aktuellen Körpergefühl und seinen diversen Interpretationen auch „plastisch“ besser entsprechen zu können.
In den letzten Jahren hat sich Diego Bianchi zu einer zentralen Figur der argentinischen Kunstszene entwickelt. Seine großformatigen und immersiven skulpturalen Installationen interpretieren den Begriff der Plastik und des Torsos neu, indem er den unter mannigfaltigem Druck stehenden menschlichen Körper in seiner Sensibilität und Bedrängnis ernst nimmt und dessen Darstellung erweitert und aktualisiert. Dabei spielt auch die Stellung des Körpers in der Gesellschaft und die erhöhten Anforderungen in der heutigen Zeit, denen er ausgesetzt ist, eine wesentliche Rolle. Indem Bianchi vordringlich mit vorgefundenen Objekten aus seiner Umwelt arbeitet, lenkt er die Aufmerksamkeit auf den Exzess und die Verschwendung der Konsumkultur unserer Gegenwart.
Für seine installative und performative Ausstellung Errores Irreales in der HALLE FÜR KUNST Steiermark verarbeitet Bianchi ausrangierte und im Stadtraum von Buenos Aires, Paris und vor allem in Graz gefundene Objekte; etwa Autoteile, Metalle, Kunststoffe, Fashion sowie Trash in ausgewählten Varianten. Während seiner Recherche und Materialbeschaffung folgt Bianchi spezifischen Vorlieben, die vom Moment und Kontext abhängen, um daraus im Prozess eine umfangreiche Produktion zu realisieren. Es entsteht eine bühnenbildhafte Landschaft aus Skulpturen und installativen Interventionen, die verstörend und stylisch zugleich mit dem Körperlichen und quasi Organisch-Innerlichen spielen und in verschiedenen, sich überlagernden Settings – zeitweise auch von Performer:innen aktiviert – zu einem „schwammigen Ganzen“ wird, das paradigmatisch für die Zeit ist, in der wir leben.
Wie der Titel Errores Irreales suggeriert, unternimmt Bianchi hier den Versuch, vermeintlich gegensätzliche Welten überlappend und miteinander interagierend in einer unwirklichen und verfremdeten Szenerie zusammenzubringen. Dort tauchen Fragmente von Schaufensterpuppen und Konsumgütern auf, die die Faszination der Warenwelt durch die abgewandelte Nutzung ihrer Güter und Objekte ad absurdum führen. Bianchi interessiert sich dafür, auf welche Art und Weise wir mit diesen Objekten verbunden sind und wie sie unser tägliches Leben beeinflussen. In der Beobachtung der Transformation von Alltagsgegenständen nach ihrer Nutzung offenbart sich so die Wechselbeziehung zwischen Natur und Sozialverhalten, Aufstieg und Niedergang urbaner und biologischer Entwicklungen, wie Katastrophen, Unfälle und Zufälligkeiten, die bislang ungeahnte Ordnungsformen zu erzeugen im Stande sind. Bianchi fokussiert sich auf Konsumketten, deren Kreisläufe und die damit verbundene Lebensdauer von Objekten, wie etwa Möbel und andere Habseligkeiten, die in jeder Gesellschaft unterschiedlich anthropogen geprägt sind.
Anhand der Gebrauchsspuren liest Bianchi den Lauf der Zeit und die Heuristik von Gegenständen ab, um daraus zugleich Schlussfolgerungen über einzelne Phänomene sowie Systeme zu treffen. Reagierend auf die unmittelbare, in der Regel urbane Umgebung, die der Künstler als einen Organismus versteht, geht er dabei vom menschlichen Körper aus, bringt ihn aus seiner Form, erweitert diesen variantenreich und führt ihn im Zusammenspiel mit anderen „Körpern“ und Gegenständen in ungewöhlichen Posen und Konstellationen in ein so weiter aufgeladenes „soziales Feld“ ein. Der Künstler unterscheidet dabei nicht zwischen menschlichen Körpern und gestaltbaren Dingen, insofern justieren seine Installationen unsere Wahrnehmung eines „plastischen“ Körperbildes mitunter neu, weisen seine Torsi doch diverse Varianzen bis hin zu cyborgartigen Einschlüssen auf, die uns an vertraute Objekte erinnern. Seine gesamte Praxis basiert auf einem Verständnis des Sozialen, das sich nicht aus genuin zwischenmenschlichen, sondern auch aus Beziehungen zwischen anderen Lebewesen, aber auch zu Gegenständen und Symbolen ergibt. Damit versteht er das, was das Soziale ausmacht in einem vielfältigeren Bild, als eine Gesellschaft, die sich aus soziologischer Sicht aus rein intersubjektiven Beziehungen konstituiert. So denkt er durch seine Praxis ähnlich wie Bruno Latour über eine Varianz an Objekten, Formen und Einflüssen nach, die sich auf unser menschliches Dasein auswirken, aber dieses eben in Beziehung und verzweigt zu ihnen sieht. Einhergehend mit dieser Perspektive ist Bianchi bemüht, die anthropomorphen, menschenähnlichen Charakteristika von Objekten und zugleich unsere Beziehung zu diesen über unser Begehren, oder unsere Abscheu, welche wir ihnen entgegenbringen, offenzulegen.
Diego Bianchi versteht jedes seiner Projekte als außergewöhnliches Abenteuer, in dem er seine unmittelbaren Eindrücke, Erlebnisse und sein Wissen mit der Realität in Verbindung bringt und diese aus einer kritischen Perspektive als etwas isoliert „Fremdes“ betrachtet, sie richtiggehend auseinandernimmt und neu zu etwas „Anderem“ formiert. So entsteht eine kaleidoskopartige, apokalyptische Spiegelung der Realität, die in der künstlerischen Übersetzung mit der Wiedererkennbarkeit von ästhetischen Konventionen und Markern (Luxus) anziehend und in der Darstellung körperlicher Deformierungen (Verfall) zugleich abstoßend anmutet. Plastik der Plastik, oder Errores Irreales: Gegen Ästhetik und Vergänglichkeit arbeitet die Kunst, um genau diese zu schaffen.
Künstler:innen
Teilnehmende Künstler:innen
Diego Bianchi
Einzelausstellungen (Auswahl): Galerie Jocelyn Wolff, Romainville (2025), New Performance Turku Biennale, Turku (2023), Museo abandonado, Dakar (2023), Marres, Maastricht (2023), Centro de Arte Dos de Mayo, Madrid (2022), Galerie Jocelyn Wolff, Romainville (2020), 11th Liverpool Biennial (2020), BIENALSUR, Córdoba (2019), BIENALSUR, Valparaíso (2017), Centro de creación contemporain, Madrid (2017), Museo de Arte Moderno, Buenos Aires (2017), Barro Gallery, Buenos Aires (2016), Wiener Festwochen (2015), Centro de Arte Experimental, Buenos Aires (2015), Centro Cultural Recoleta, Buenos Aires (2010), Fondo Nacional de las Artes, Buenos Aires (2009), Centro Uno de Arte Contemporáneo, Rio Negro (2007).
Gruppenausstellungen (Auswahl): ARCOmadrid (2025), MAC VAL, Vitry-sur-Seine (2024), Pivô, São Paulo (2024), macLYON, Lyon (2024), Bienal de Coimbra, Portugal (2024), Galerie Jocelyn Wolff, Romainville (2024, 2023), Marres, Maastricht (2023), CAPC, Bordeaux (2023), Centre Pompidou, Metz (2022), Musée de la Haute Vienne Château de Rochechouart (2023), Museo Nacional de Bellas Artes, Buenos Aires (2021), Centre d’art contemporaine de Normandie (2018), Centro Cultural Kirchner, Buenos Aires (2017), MALBA, Buenos Aires (2015), Museo Arte Moderno Cuenca (2015), 13th Istanbul Biennial (2013), Museo de Arte Contemporáneo de Niteroi, Río de Janeiro (2007), 11th Biennale de Lyon (2012), X. Bienal de la Habana, Havanna (2009).
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