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Annemarie Arzberger:
wachgeträumt
3.–4.10.2025

Eröffnung:

Performance

Annemarie Arzbergers (*1984 Graz, lebt in Wien) Bildwelten sind gleichermaßen fantasievoll und üppig sowie überbordend barock und detailreich, manchmal unheimlich und bizarr, aber immer von einer Vielzahl von Wesen bevölkert, deren Geschichten man als Betrachter:in von Neugier gepackt erfahren möchte. Arzbergers Arbeit hat ihren Ursprung sowohl in der Zeichnung, als auch in der Malerei, wobei seit einigen Jahren parallel dazu plastische Figuren entstehen, die als bewegliche und spielbare Puppen zum Einsatz kommen, wenn sie nicht als statische Skulpturen gezeigt werden. Für die HALLE FÜR KUNST Steiermark entwickelt die Künstlerin in ihrer performativen Präsentation zum ersten Mal ein eigenes Stück und so ein Setting für ihre Puppen, das vor allem aus Tanz- und Lipsync-Elementen mit musikalischen Momenten und einer Kombination aus Körper- und Puppentheater besteht. 

Performance: 3.10.2025, 18:00 Uhr
Performative Intervention bei der Langen Nacht der Museen: 4.10.2025, 18:000:00 Uhr

Kuratiert von Jan Tappe

Ansichten

Annemarie Arzberger, Das Medium Unikum IXI und Lore, 2023

Textilmasken
60 × 50 × 50 cm und 55 × 40 × 26 cm

Foto: Manuel Obriejetan

Text

Das Kunsthandwerk des Puppenbau hat eine Jahrhunderte alte Tradition und wird ab dem 20. Jahrhundert auch immer wieder Teil von Produktionen der Bildenden Kunst. Die Verbindung zwischen Bildender Kunst und Puppentheater eröffnet ein facettenreiches Spannungsfeld zwischen statischer Form, performativer Geste und Bewegung in verschiedenen Medien. Künstler:innen wie Sophie Taeuber-Arp, William Kentridge, Tony Oursler oder Nathalie Djurberg & Hans Berg haben diese Schnittstelle auf ganz unterschiedliche Weise ausgelotet und die Möglichkeiten zum künstlerischen Ausdruck erweitert. Sophie Taeuber-Arp, eine zentrale Figur der Dada-Bewegung, gestaltete Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur abstrakte Kompositionen, sondern entwarf auch kunstvoll stilisierte Puppen für das Dada-Puppenspiel König Hirsch (1918). Ihre Figuren verbinden die Ästhetik geometrischer Abstraktion mit der Körperlichkeit des Puppenspiels und sind ein Ausdruck dadaistischer Gesellschaftskritik wie spielerischer Experimentierfreude. In ihrer Arbeit überwindet sie die Grenzen zwischen Kunsthandwerk, Bühnenbild und Performance. Auch der südafrikanische Künstler William Kentridge bewegt sich in seiner Kunst an der Schwelle zwischen Bild und Bewegung. In seinen Schattentheatern verbindet er Zeichnung, Film, Animation und Performance zu komplexen Narrationen. Puppen und Schattenfiguren dienen ihm als symbolische Träger historischer und politischer Themen, etwa der Kolonialvergangenheit und der Apartheid. Kentridges Arbeiten sind zugleich poetisch und kritisch – sie verleihen der Bildenden Kunst durch theatrale Mittel eine neue Dimension. In seinen wiederum anders konzipierten Installationen kombiniert der US-amerikanische Medienkünstler Tony Oursler skulpturale Objekte mit Videos von sprechenden Gesichtern, die auf deformierte Puppenkörper oder amorphe Figuren projiziert werden. Diese hybriden Wesen wirken befremdlich und faszinierend zugleich – sie thematisieren psychologische Zustände, mediale Überreizung und Identitätskonstruktionen und schlagen dabei eine Brücke zwischen Figurentheater, Videokunst und Skulptur.

In all diesen Positionen zeigt sich, wie das Puppenspiel als Medium der Transformation fungiert: Es lässt Körper, Material und Bild in Bewegung treten und öffnet damit einen Raum für neue künstlerische Ausdrucksformen – zwischen Bühne und Bildträger, zwischen Objekt und Narration. Und auch Arzberger lässt sich in diesem Spannungsfeld verorten, zwischen Objekt und Subjekt, und im Falle ihres hier gezeigten Werkes zwischen Traum und Wachsein.

Während der Corona-Pandemie produzierte Arzberger für eine Onlineserie Kostüme und im weiteren Verlauf für das Theater mehrere Puppen, die zu Protagonist:innen in verschiedenen Produktionen wurden, was ihre eigene künstlerische Arbeit nachhaltig beeinflusst hat. Seitdem entwickelt sich das Theater immer mehr zu einem Lebensraum der Figurinen und Spielpuppen, die sie ausgehend von Zeichnungen und Malereien kreiert. Behutsam und facettenreich kreisen Arzbergers Werke um aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen. Diesen begegnet sie mit Empathie und Führsorge, wobei sie kein politisches Interesse verfolgt, sondern eine Phantasiewelt entwirft, die als Zufluchts- und Sehnsuchtsort dienen kann. Das Konzept von wachgeträumt verfolgt dabei mehrere Strategien, die sich ergänzen. Die Puppenfiguren und Masken von Arzberger werden sowohl als eigenständige Werke, Teil einer größeren Gesamtinstallation wie auch im Zustand der performativen Aktivierung gezeigt und so das künstlerische Schaffen von Arzberger in einer räumliche und zeit-basierte Situation gestellt, die es ihnen ermöglicht ihre gesamte Qualität auszuspielen.

Für die HALLE FÜR KUNST Steiermark entwickelt die Künstlerin in ihrer performativen Präsentation zum ersten Mal ein eigenes Stück und so ein Setting für ihre Puppen, das vor allem aus Tanz- und Lipsync-Elementen mit musikalischen Momenten arrangiert von Manuel Obriejtan und einer Kombination aus Körper- und Puppentheater besteht, welches die Künstlerin gemeinsam mit ihrer Schwester Katharina Arzberger aufführt. Während andere Puppenfiguren wie Sanftmut, Milde oder Friedlich ihren Blick gebannt auf die Bühne richten, wird dem Charakter Dolores eine tragende Rolle in der ganzen Arbeit zukommen. Der Name ist alles andere als zufällig gewählt. Der lateinische Wortstamm bedeutet Schmerz und diesen strahlt die Puppe in einem gewissen Sinne auch aus. Ihre goldenen Augen und die langen spitzen Zähne haben nicht viel mit dem Kindlichen oder dem ungestört Schönen, um nicht zu sagen Naivem zu tun, was man gemeinhin mit dem Medium des Puppentheaters verbindet. Auf der Bühne werden ebenfalls die vier Figuren Ängste Schwestern zu sehen sein, die das Spiel mittels beweglicher Sockel die ganze Zeit auf Schritt und Tritt verfolgen.

Bei gedämpftem Licht entsteht wachgeträumt als eine Abfolge von verschiedenen Szenen und Situationen aus mehreren Kunstwerken und Arrangements, die sich in einem bunten Treiben Stück für Stück vor den Besucher:innen entfaltet und immer tiefer in ihre immersive Welt lockt. Der Raum wird mittels halbtransparenten Tülls, ausgesuchten Stoffen und besonderen Materialien zu einem verschachtelten Spielplatz für die Sinne. Detailreich gestaltete Malereien, Puppen und andere Kunstwerke treffen auf ein Arrangement, dass bewusst DIY-Anleihen hat und auch etwas an das kindliche Bauen einer Höhle aus Möbelstücken und allem, was sich sonst im Haushalt finden lässt, erinnert. Für die musikalische Auswahl hat sich die Künstlerin in die Welt des Schlagers ihrer Kindheit und der Klänge der Natur, wie sie für Meditation eingesetzt wird, begeben. Die Arbeit wird zur Première als zusammenhängende theatrale Narration gezeigt. Am zweiten Abend wird die Bühnensituation zur begehbaren Installation, die über den Verlauf der Langen Nacht der Museen situativ mittels kleiner Szenen und Songs aktiviert wird und so die Zusammenstellung der Puppen, Malereien und Bühnen, die für sich auch als kleine Werkschau zu verstehen sind, performativ belebt. Durch die Verschränkung aus dem vermeintlich kindlichen Medium des Puppentheaters, einer mehr als ungewöhnlichen Bildsprache und einer Überführung der einzelnen Charaktere in eine holistische, umfassende Bildwelt gelingt Annemarie Arzberger ein ganz eigener verspielter, poetischer und gleichzeitig auch unprätentiöser Ansatz, der gleichermaßen verzückt, belustigt und verstört.

Künstler:innen

Teilnehmende Künstler:innen

Annemarie Arzberger

*1984 Graz, lebt in Wien

Einzelausstellungen (Auswahl): Puuul, Wien (2023, 2021), Akademie der bildenden Künste, Wien (2021), 12erHaus, Pöllau (2020), Galerie 3, Parallel Vienna Art Fair, Wien (2019).

Gruppenausstellungen (Auswahl): ES49, Wien (2025), Maerz Künstlervereinigung, Linz (2024), Galerie3, Klagenfurt /​Wien (2022, 2021, 2018, 2016), 5020, Salzburg (2023), Kunstverein Paradigma, Linz (2023), Phileas Projekt, Wien (2022), Sodom, Wien (2020), brut, Wien (2019), WUK Kunsthalle, Wien (2019), Taxis Palais Kunsthalle Tirol, Innsbruck (2019).

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